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Sie erkannten, daß dies der Koch Dragones war, welchen der Hofmeister Golo vergiftet hatte. Der Graf ließ die Gebeine hinwegnehmen, auf dem geweihten Kirchhofe begraben und für die arme Seele Messen lesen. Der Spuk des Kochs aber vermehrte die Gewissensangst des Grafen, denn es war ein klares Zeichen von der Unschuld des treuen Dieners. Der klarste Beweis von Golos Betruge aber war folgender:

Diejenige Zauberin, welche den Grafen zu Straßburg durch ihr Teufelsblendwerk betrogen hatte, wurde nach einer Reihe von Jahren eingezogen und gerichtlicher Weise als Hexe zum Feuer verdammt. Nachdem sie nun herausgeführt und bereits in ihre Hexenhütte war gestellt worden, bat sie die Richter, sie wollten ihr vergünstigen, vor ihrem Ende nur noch ein einziges Wörtlein zu reden.

Nachdem sie die Erlaubnis dazu erhalten hatte, sprach sie also: „Obschon ich all mein Lebtag sehr viele schwere Sünden begangen habe, dennoch schmerzet mich keine so sehr, als daß ich einstmals den Grafen Siegfried schändlich betrog und seine Gemahlin Genovefa bei ihm verleumdete, welche deswegen mit dem frommen Koch Dragones unschuldigerweise ist hingerichtet worden und mit ihrem Kinde hat sterben müssen. Ich widerrufe meine Worte und bekenne, daß die Gräfin sammt dem Koch unschuldig sind. Ich bitte auch, man wolle dem Grafen berichten und ihn wissen lassen, daß ich auf Anstiftung des Golo gehandelt habe.“

Nachdem nun dieses dem Grafen in aller Eile berichtet worden war, stellete er sich nicht anders an, als wenn er vor Leid verzweifeln wollte. Jetzt erkannte er nun ganz klar, wie ihn der verruchte Golo umgarnt und seine arme Gemahlin sammt seinem einzigen Kinde unschuldig in den Tod gejagt hatte. Die Erinnerung daran that ihm so wehe, daß er vor großem Herzeleid fast wäre von Sinnen gekommen.

Golo war jedoch, als die Nachricht aus Straßburg bei Hofe einlief und schon als das Gespenst des Koches den Grafen erschreckt hatte, bei Hofe nicht anwesend. Durch seine Helfershelfer erfuhr er aber, welche Nachrichten der Graf empfangen habe und wie dieser nun gegen ihn gesonnen sei. Darum hielt er sich zwei Jahre von Hofe entfernt, und der Graf wußte nicht, wie er diesen listigen Fuchs fangen sollte.

Nun stand der Graf damals seiner edlen Gemahlin an Frömmigkeit

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/171&oldid=- (Version vom 1.8.2018)