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soll. Da geht er betrübt in den Wald. Auf einmal bietet ihm Einer die Zeit und fragt ihn, was ihm fehle. Ach, das möchte er Keinem sagen; es wolle ihm ja doch Keiner helfen. „Nun, warum denn nicht? Er solle ihm sein Anliegen offenbaren, vielleicht könne er ihm doch helfen.“ Da sagt er es denn, daß seine Frau mit dem siebenten Kinde niedergekommen sei und daß er kein Vermögen habe, es taufen zu lassen, und daß diesmal Niemand auf dem breiten Steine stehen wolle seiner Armuth wegen. Der Fremde scheine ihm ein honnetter Mann zu sein; wenn er ihm den Gefallen thun wolle und seinem Kinde zur Christenheit verhelfen, wolle er's ihm sein Lebenlang gedenken.

„Wißt Ihr denn auch wer ich bin? Ich bin der Tod.“

„Ach, das soll mir ja große Ehre sein, Herr Tod. Solche Ehre ist wol noch Keinem widerfahren.“

„Nun, es ist mir lieb, daß Ihr Vertrauen zu mir habt. Ich wäre ohnehin Euer Gevatter geworden. Ich stehe bei allen Kindern Gevatter. Aber weil Ihr mich denn zum Gevatter bittet, was andere Leute nicht thun, so will ich auch meinem Pathkinde ein Pathengeschenk verehren. Ist's ein Knabe oder ein Mädchen?“

„Ein Knabe.“

„Gut, ich will bei der Taufe zugegen sein und das Kind über die Taufe heben.“ Darauf gibt er dem Manne die Hand. Wie der ihm wieder die Hand gegeben hat, ist auf einmal der Gevatter verschwunden, und wie der Mann seine Hand aufmacht, ist ein Goldstück darin.

Er geht aber doch mit betrübtem Herzen heim und denkt: ist der Tod dein Gevatter, so wird's wol aus sein mit deinem armen Kinde. Kommt nach Hause und sagt seiner Frau, daß er einen Gevatter gefunden, und daß der ihm ein Goldstück zum Einbund verehrt hat. Seine Frau fragt ihn, wie der Gevatter heiße, aber er sagt, er wisse

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_055.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)