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die sich wesentlich auf die reine Form des Akts selbst richtet, ist es in der Tat von untergeordneter Bedeutung, ob an ihm nur ein Individuum oder mehrere beteiligt sind, während die Zerlegung in einzelne Aktphasen stets von entscheidender Wichtigkeit ist.

Wenn wir bis hierher die Grundformen der reinen Anschauung, die Formen des Raumes und der Zeit, als den Ausgangspunkt der Zahl- und Mehrheitsbildung betrachtet haben, so ist indessen damit die vielleicht ursprünglichste und tiefste Schicht, in der der Zählakt wurzelt, noch nicht berührt. Denn auch hier kann die Betrachtung nicht vom Objekt allein und von den Unterschieden innerhalb der objektiven, der räumlich-zeitlichen Sphäre ausgehen, sondern sie muß zu den Grundgegensätzen zurücklenken, die aus der reinen Subjektivität herstammen. Eine ganze Reihe von Anzeichen spricht dafür, daß auch die Sprache die ersten zahlenmäßigen Sonderungen, die sie vollzieht, aus diesem Gebiet geschöpft hat, – daß es nicht sowohl das dingliche Neben- und Auseinander der Gegenstände oder Vorgänge als vielmehr die Trennung des „Ich“ und „Du“ gewesen ist, an der sich das Bewußtsein der Zahl zuerst entfaltet hat. Es ist, als wenn auf diesem Gebiet eine weit größere Feinheit der Unterscheidung, eine stärkere Empfindlichkeit auch für den Gegensatz des „Einen“ und „Vielen“, als im Kreise der bloßen Sachvorstellungen herrschte. Viele Sprachen, die eine eigentliche Pluralform beim Nomen nicht entwickelt haben, prägen diese nichtsdestoweniger an den persönlichen Fürwörtern aus[1]; andere wenden zwei verschiedene Pluralzeichen an, von denen das eine ausschließlich für die Pronomina gebraucht wird[2]. Oft wird die Mehrheit beim Nomen nur dann besonders ausgedrückt, wenn es sich um vernünftige und belebte Wesen, nicht dagegen, wenn es sich um leblose Gegenstände handelt[3]. Im Jakutischen stehen Teile des


  1. [1] Für die amerikanischen Sprachen vgl. z. B. die Darstellung des Maidu durch Roland B. Dixon (in Boas’ Handbook I, 683 ff.): „Ideas of number are unequally developed in Maidu. In nouns, the exact expression of number seems to have been felt as a minor need; whereas, in the case of pronominal forms, number is clearly and accurately expressed“ (S. 708). Auch in den melanesischen, sowie in den polynesischen und indonesischen Sprachen ist es nur beim Pronomen zur Ausbildung einer scharfen Zahlunterscheidung gekommen; näheres bei Codrington, Melanes. languages, S. 110, und bei H. C. v. d. Gabelentz, Die melanes. Sprachen, S. 37. Die Bakairi-Sprache, die weder den Unterschied des Singulars und Duals noch eine allgemeine Pluralbezeichnung kennt, hat Ansätze für eine solche für die erste und zweite Person des Pronomens ausgebildet; vgl. v. d. Steinen, Bakairi-Sprache, S. 324, 349 f.
  2. [2] Dies ist z. B. im Tibetanischen der Fall; vgl. J. J. Schmidt, Grammat. der tibet. Sprache, Petersburg 1839, S. 63 f.
  3. [3] Vielfältige Beispiele für diesen Gebrauch bei Fr. Müller, Grundriß II, 1, 261; II, 1, [200] 314 f., III, 2, 50; – für die melanesischen Sprachen s. v. d. Gabelentz, a. a. O., S. 87. – Im Hupa haben nur wenige Nomina eine Pluralform: es sind solche, die das Alter oder den Stand eines Menschen bezeichnen oder die eine Verwandtschaftsbeziehung ausdrücken. (Goddard, Athapascan in Boas’ Handbook I, 104.) Im Aleütischen gibt es zwei verschiedene Ausdrücke der Mehrheit, deren einer für lebende Wesen, deren anderer für leblose Gegenstände gebraucht wird; s. Victor Henry, Esquisse d’une grammaire raisonnée de la langue aléoute, Paris 1879, S. 13.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/215&oldid=- (Version vom 21.11.2022)