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der Schöpfung des Kunstwerkes durchdringen sich daher die Momente, die in der bloß verstandesmäßigen Reflexion einander fliehen, zu einer neuen Einheit – zu einer Einheit, die zunächst freilich nur ein Problem, nur eine neue Aufgabe vor uns hinstellt. Die Gegensätze von Freiheit und Notwendigkeit, von Individualität und Allgemeinheit, von „Subjektivität“ und „Objektivität“, von Spontaneität und Bindung mußten selbst erst eine tiefere Bestimmung und eine neue prinzipielle Klärung erfahren, ehe sie als philosophische Kategorien für die Erklärung des „Ursprungs des Kunstwerks“ und des „Ursprungs der Sprache“ gebraucht werden konnten.

IV

Die empiristischen und die rationalistischen, die psychologischen und die logischen Theorien der Sprache stimmen in der Fassung, in der sie uns bisher entgegengetreten sind, trotz aller inneren Gegensätzlichkeit, doch in einem Grundzuge überein. Sie betrachten die Sprache wesentlich nach ihrem theoretischen Gehalt: nach ihrer Stellung im Ganzen der Erkenntnis und nach dem, was sie für den Aufbau der Erkenntnis leistet. Mag sie als unmittelbares Werk der Vernunft und als ihr unentbehrliches Organ aufgefaßt werden oder mag das Wort als eine bloße Hülle gelten, das uns die Grundinhalte der Erkenntnis, die eigentlichen „Urperzeptionen“ des Geistes verdeckt: immer wird als das Ziel der Sprache, an dem sich ihr positiver oder negativer Wert bestimmt, das theoretische Wissen und der Ausdruck dieses Wissens angesehen. Die Worte sind Zeichen der Ideen – wobei die letzteren entweder als objektive und notwendige Erkenntnisinhalte oder als subjektive „Vorstellungen“ gefaßt werden. Je mehr indessen der Begriff der „Subjektivität“, den die neuere Philosophie fortschreitend erarbeitet, sich weitet und vertieft – je deutlicher aus ihm eine neue wahrhaft universelle Auffassung der Spontaneität des Geistes erwächst, die sich gleich sehr als Spontaneität des Gefühls und des Willens, wie als solche der Erkenntnis erweist, um so entschiedener muß jetzt auch in der Leistung der Sprache ein anderes Moment hervorgehoben werden. Die Sprache scheint gerade, wenn wir sie zu ihren frühesten Anfängen zurückzuverfolgen suchen, nicht lediglich repräsentatives Zeichen der Vorstellung, sondern emotionales Zeichen des Affekts und des sinnlichen Triebes zu sein. Schon die antike Theorie kennt diese Ableitung der Sprache aus dem Affekt, aus dem πάθος der Empfindung und der Lust und Unlust. In diesen dem Menschen und den Tieren gemeinsamen und somit wahrhaft „natürlichen“ Urgrund müssen

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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/105&oldid=- (Version vom 12.9.2022)