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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

die übertragene Deutung dieser Schriftworte schon anderswo[1] gegeben haben, wollen wir uns wieder zu dem mit unserem Gegenstand[2] Zusammenhängenden wenden; nur möchten wir vorher noch darauf hinweisen, daß es in der Schrift heißt, Gott habe den Mutterschoß der Gehaßten geöffnet, (d. h.) die Geburt edler Sitten und schöner Taten[3] veranlaßt, während diejenige, die sich geliebt glaubte, alsbald unfruchtbar wurde. 51 Denn so heißt es: „Als der Herr sah, daß Lea gehaßt wird, öffnete er ihren Mutterschoß; Rachel aber war unfruchtbar“ (1 Mos. 29, 31). Ist denn nicht in dem Augenblick, wo die Seele schwanger geht und das, was der Seele wohl ansteht, zu gebären beginnt, alles Sinnliche – dem die Aufnahme „von einem Kusse“, nicht die mit echter Liebe zukommt – unfruchtbar und kinderlos? [11] 52 Ein Sohn dieses sinnlichen Lebens, das die Schrift Masek nennt, ist also ein jeder von uns, da (jeder) die Pflegemutter und Amme des sterblichen Geschlechts, die Sinnlichkeit, ehrt und bewundert,[4] sie, bei deren Anblick, als sie erschaffen war, auch der irdische Geist, Namens Adam, seinen Tod als ihr Leben bezeichnete. 53 Denn so heißt es: „Adam nannte den Namen seines Weibes Leben,[5] denn sie ist die Mutter aller Lebenden“ (1 Mos. 3, 20), derjenigen, die in Wahrheit tot sind, nämlich hinsichtlich des Lebens der Seele.[6] Die wirklich Lebenden haben zur Mutter die Weisheit, die Sinnlichkeit dagegen (betrachten sie) als eine von der Natur zur Bedienung der Erkenntnis geschaffene Sklavin. 54 Als Namen desjenigen, der von dem Leben geboren ward, das wir[7] „von dem Kusse“ erklärt haben, gibt die Schrift an: Damaskos – d. h. Blut des (groben) Kleides[8] –,

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/22&oldid=- (Version vom 2.4.2020)
  1. All. Erkl. II § 48, Über d. Geburt Abels § 19, Über die Nüchternheit § 18 u. ö.
  2. Dem Unterschied von „Kuß“ und „Liebe“.
  3. S. All. Erkl. III § 180.
  4. Hier macht sich eine ähnliche Inkonsequenz geltend wie § 45 (s. die Anm.): zuerst wird festgestellt, daß jeder von uns die Sinnlichkeit ehrt (jeder, der ehrt hieße πᾶς ὁ τιμῶν), dann wird dies sinnliche Leben § 52 und 57 nur auf die begrenzte Zahl der „seelisch Toten“ beschränkt. Philos Quelle deutete Eva, die Sinnlichkeit, offenbar als Mutter aller Menschen, woraus die pessimistische Auffassung der §§ 45 und 47 sich ergab. Zu der pessimistischen Auffassung der Menschen vgl. auch § 107.
  5. Vgl. Über die Landwirtschaft § 95 u. 97.
  6. Vgl. de somniis II § 234, de fuga § 55, ferner § 290 und 292 in dieser Schrift, All. Erkl. I § 107 nebst Anm.
  7. Oben § 40.
  8. דמשק‎ = דַּם שַׂק‎. Auch das griechische Wort bedeutet wie ein grobes härenes Gewand.