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Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn

[6 M.] des Menschengeschlechts befreit einem stillen und ruhigen Leben sich hingibt.

[6] 31 Er preist aber diesen Tugendfreund (Noah) in der Weise, dass er bei der Angabe seiner Abkunft nicht, wie es seine Gewohnheit bei den andern ist, ein Verzeichnis seiner Grosseltern oder Urgrosseltern oder Urahnen liefert (und angibt), wieviel ihrer von Vaters oder Mutters Seite sind, sondern (eine Aufzählung) einiger Tugenden; er erklärt damit geradezu, dass nur Tugenden und tugendhafte Handlungen für den Weisen Haus und Verwandtschaft und Vaterland sind: „dies sind“, sagt er, „die Geschlechtsfolgen Noahs: Noah, ein gerechter Mensch, vollkommen in seinem Zeitalter, war Gott wohlgefällig“ (1 Mos. 6,9)[1]. 32 Man muss aber wohl beachten, dass er hier mit dem Worte „Mensch“ nicht das vernünftige sterbliche Lebewesen im gewöhnlichen Sinne bezeichnet, sondern den vorzugsweise so genannten (Menschen), der diesen Namen in Wahrheit verdient, wenn er die unbändigen und tollen Leidenschaften und die tierischen Laster aus seiner Seele verbannt hat. 33 Beweis dafür ist: zu dem Worte „Mensch“ setzt er „gerecht“ hinzu und sagt: „ein gerechter Mensch“, weil kein Ungerechter ein Mensch sei (richtiger wäre ein solcher ein Tier in Menschengestalt zu nennen), sondern der allein, der ein eifriger Anhänger der Gerechtigkeit ist[2]. 34 Er sagt aber auch, dass er „vollkommen“ war, womit er ausdrückt, dass Noah nicht eine Tugend, sondern alle Tugenden besessen und eine jede stets pflichtgemäss ausgeübt hat. 35 Aber wie einen siegreichen Kämpfer bekränzt er ihn und mit der schönsten Preisverkündigung schmückt er ihn, wenn er von ihm sagt, dass „er Gott wohlgefiel“. Denn was kann es wohl besseres in der Welt geben als dieses? was ist ein klarerer Beweis seines rechtschaffenen Lebens? Denn wenn die Gottmissfälligen

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Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/13&oldid=- (Version vom 9.3.2019)
  1. Aehnlich deutet der Midrasch diesen Vers. Beresch. R. c. 30: „Worin bestehen die Früchte des Gerechten? In treuer Pflichterfüllung und guten Werken.“ Tanchuma Noach 2: „Die Nachkommenschaft des Gerechten sind seine guten Werke“.
  2. Aehnlich wird im Midrasch Beresch. R. c. 30 zu den Worten איש צדיק‎ bemerkt: „Ueberall wo das Wort ‚Mann‘ vorkommt, ist ein Gerechter gemeint“.