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Wer unter den alten Dresdnern entsänne sich nicht dieser Truppe, deren Aufführungen unter der Witwe des einstigen Direktors, zuletzt nur noch auf der Vogelwiese, den Tummelplatz wüsten Unsinns abgaben?

Wie es scheint, ist schon unter Magnus, als er in späteren Jahren hier spielte, der Unsinn das Wichtigste gewesen. Im September ging Julius mit seinem Bruder über den Zwinger und den neuen Steg nach der Friedrichstadt. Als sie sich die Plätze ausgesucht, sich niedergesetzt, die Pfeifen angezündet und sich einen Topf Bier geholt hatten, begann das Schauspiel: „Band und Halstuch“. Es wurde leidlich gespielt, besonders machte sich der alte Magnus als Schulmeister gut. Hierauf kam eine plastisch­-mimische Darstellung, die sehr zum Lachen eingerichtet war. Nach dem Schauspiel ging das Tanzen mit den anwesenden Mädchen, unter denen sie einige kannten, los. Nach dem Tanze führt der jüngere Bruder eine nach Hause und erzählt ihr, als sie am Rabenstein (Löbtauer Schlag) vorbeikommen, Schauergeschichten von einem, der am selbigen Tage in Meißen hingerichtet worden war. 14 Tage später gehen sie noch einmal hinaus. Es wurde „Conrad der Stählerne“ gegeben. Diesmal wurde Mag­nus mit seiner ganzen Sippschaft ausgepfiffen und ausgelacht. Mehrere Schauspieler vom Hoftheater hörten mit zu. Als Magnus malitiös wurde, pfiff ein Teil noch lauter, andere schrieen Ruhe. Zuletzt war die Gefahr einer Prügelei sehr groß, bis sich die Schreier, mehr vorsichtig als tapfer, entfernten.

Andere künstlerische Anregungen werden ganz selten erwähnt. Nie ist davon die Rede, daß die hochberühmten Dresdner Samm­lungen besucht werden. Es war damals ebenso schwierig, wie kost­spielig, in die Gemäldegalerie, die im jetzigen Johanneum unter­gebracht war, zu gelangen. Ein ganz ungünstiger Aufgang, eine Wendeltreppe im Stallhof, auf der Modergeruch herrschte, führte zur Eingangstür. Oben mußte man an der verschlossenen Türe oft zwei­mal läuten; ein alter mürrischer Diener öffnete im April bis zum Sep­tember zwischen 9 und 12 Uhr. Der Diener erwartete stets ein Trink­geld. Fremde mußten außer der Zeit an den Direktor einen Dukaten bezahlen! Erst ein anonymer Artikel des bedeutenden Kunstforschers Direktor Waagen in Berlin, den die Leipziger

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/98&oldid=- (Version vom 8.3.2024)