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musikalischer Art ist nicht die Rede. Selbst von dem Gesang der Alumnen in Schule, Kirche oder auf der Straße fällt kein Wort. Es war dies so alltäglich, so gewohnheits­mäßig, daß es nicht sonderlich interessierte.

Aber nun die Ergänzung zu all diesem Schultreiben und die Erholung davon – so weit solche überhaupt nötig war, denn von Überbürdung ist ja überhaupt nicht die Rede.

An erster Stelle wäre hier das Lesen zu nennen. An Zeitungen werden die in Leipzig erscheinende Sachsenzeitung und der Merkur genannt, die über die Vorgänge im Sachsenlande unterrichteten; dann die zwei damals bekanntesten belletristischen Blätter: die Abendzeitung und das Morgenblatt, aus denen er auch wohl der Mutter vorlesen muß. Dann natürlich Taschen­bücher, Musenalmanache, in denen auch einmal etwas von Goethe zu lesen ist. Von Dichtern werden Körner und Schiller oft ge­nannt. Sein Freund Blöde regte hierzu lebhaft an. Er findet ihn über Körner sitzend und liest gleich mit. Nach der ersten Lektüre von Zriny, den er erst in Unterprima kennen gelernt hat, trägt er ein: Schön sind die kühnen Charaktere eines Zriny, eines Juranitsch, einer Eva, einer Helene! Die Freunde singen zusammen Körnersche Lieder. Blöde beabsichtigt zu Fastnachten, mit seinen Freunden den Nachtwächter aufzuführen, doch wird nichts daraus. Die Nachricht vom Tode des Vaters Körner bucht Julius mit Empfindung. Groß ist die Einwirkung Schillers. Er besitzt dessen Werke nicht selbst; da muß der Onkel Jurist im Finanzministerium aushelfen; Bände werden geholt und zurückgetragen. Alles wird gelesen, wie es der begeisterte deutsche Jüngling vielleicht heute noch tut: Macbeth, Turandot, Der Neffe als Onkel, Demetrius und Warbeck. Theaterbesuche knüpfen sich aber nicht oft an dieses Lesen. Am 15. Dezember 1831 besucht er eine Vorstellung der Räuber, aber leider ist es die Mannheimer Bearbeitung für die Bühne, also zu versöhnlich! Schweizer und Franz sterben nicht, Karl entläßt Schweizer und Kosinsky, damit sie bessere Menschen werden. Dies war aller­dings dem Geiste des Stückes nicht angemessen. An diesem Abend ernteten Pauli als Franz und Eduard Devrient als Karl „wüthenden Applaus“. Von Schillers Liedern singt er voll Be­geisterung

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/95&oldid=- (Version vom 8.3.2024)