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sich in der Kreuzschule und marschierten, da sehr viele Zuhörer erwartet wurden, von da nach dem Gewandhause; zum ersten Male erschienen, sehr zu ihrer Unzufriedenheit, die Festredner nicht mit Degen und Dreimaster. Nun wurden, ehe der Rektor die Entlassung aussprach, vierzehn Reden oder Gedichte vorgetragen: Ein hebräisches Dankgebet; zwei griechische Gedichte, eine Frühlingsfeier und ein Lob des Leonidas; vier lateinische Reden: über den notwendigen Zusammenhang zwischen literarischen Studien und Musik; über den Segen der Gerechtigkeit im Staate; über Horaz, den besten Sittenlehrer, und – 1832, ein halbes Jahr nach Einführung der Verfassung in Sachsen, – das interessanteste der vier Themen: Orationem liberam magnum esse libertatis publicae praesidium – die freie Rede ein gewaltiger Schutz für die öffentliche Freiheit! Die drei deutschen Reden behandelten allgemeine, philosophische Themen: über den Wert der Freundschaft sprach Theile, über die Freuden der Erkennt­nis Gustav Blöde, der Freund Julius Rachels; und über Schillers Wort „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ ein Dritter. Nicht weniger als vier deutsche Gedichte folgten: Die Hermannsschlacht, die einzige Programmnummer, die einen vater­ländischen Stoff behandelte; dann Bary’s Gedicht, Der Schwedenstein, zur Feier Gustav Adolfs und der Lützener Schlacht am 6. November 1632. Den Schluß bildeten ein Gedicht der Ab­gehenden, eines der Zurückbleibenden, dies letztere vom späteren Kirchenrat Schlurick verfaßt. Das Bary’sche Gedicht ist in die Primanergedichtsammlung Camöne aufgenommen worden und zeigt den feurigen, gewandten Dichtersmann.

Von alledem gefiel dem Tagebuchschreiber die deutsche Rede seines Freundes Blöde „über die Freuden der Erkenntnis“ am besten; er sprach, gehoben durch die Anwesenheit seiner Herzens­flamme, mit wahrer Begeisterung. Es ist begreiflich, daß die Beredsamkeit des Rektors nach soviel Redeleistungen und noch dazu in Gegenwart der Töchter befreundeter Familien die muli nicht mehr fesseln konnte.

Und nun die Frage nach gewissen Festlichkeiten, die die Schule während des Jahres etwa selbst geboten hätte: Von Schulball, Schülerfest, Schülerausflug, Schülerspiel, Schauturnen, Schüleraufführungen

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/94&oldid=- (Version vom 8.3.2024)