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Einer, der in schweren Ängsten geschwebt hatte, er werde durchfallen, lud 6 seiner Freunde zum Abendbrot ein. Da ging es denn sehr lustig zu. Es wurde gesungen: Körners Lied von der Kraft, dann: Lasset die feurigen Bomben erschallen, Der Musensohn, Lützows wilde verwegene Jagd und Gaudeamus igitur. Über den Wert oder Unwert der Burschenschaft wurde eifrig gesprochen und gestritten, die Köpfe wurden heiß, die Magen schlecht, die Stimmung aber immer rührseliger, so daß mancher Bruderkuß getauscht wurde.

Und auf diesen heiteren Abend folgte, soweit Unwohlsein nicht abhielt, noch 14 Tage regelmäßiger Schulunterricht. Der Tagebuchschreiber mußte am 4. April, 7 Tage nach der Maturität, noch als letzter lateinische Disputation abhalten und ein von ihm gefertigtes Gedicht vortragen! Mitten in dieser Zeit las er die ihm bestimmte Abgangszensur im Programm! Die Woche vor Palmarum brachte nun noch die mündlichen Osterprüfungen, an denen sich die Muli mit der zweiten Hälfte der Prima auch zu be­teiligen hatten. So hatten sie denn noch einmal vor „dem Minister Müller und den übrigen Pennalräten“ ihre Weisheit im Sophokles glänzen zu lassen. Dabei lagen die unter Aufsicht der Lehrer gefertigten Specimina und andere Arbeiten in deut­scher, lateinischer und griechischer Sprache öffentlich aus. Dies war Mittwoch den 11. April. Noch immer kam sich aber der Mulus als stark abhängig von der Schule vor; denn als er nachmittags vom Großen Garten bis in die Pirnaische Gasse hinein mit der brennenden Pfeife geht, erklärt er dies selbst für eine Frechheit. Und am folgenden Tage reizen ihn bei einem Spaziergang des jungen Volkes befreundete Mädchen auf der bretternen (nicht ledernen, wie er schreibt) Saloppe mit Worten, er fürchte sich wohl, so lange, bis er sich sein Pfeifchen anbrannte.

Montag den 16. April kam der große Tag der Entlassung. Des jungen Mannes Interessen waren aber an diesem Tage sehr geteilt. In den frühen Morgenstunden hatte er mit den Seinen die liebe Tante begraben, aus deren in den Jahren 1808 bis 1811 geführtem Tagebuche ich in den Dresdner Geschichtsblättern einiges veröffentlicht habe. Die Schüler versammelten

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/93&oldid=- (Version vom 8.3.2024)