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Tage esse man auf dem Alumneum Gamaschenknöpfe zu Mittag, d. h. kleine Graupen.

Wieder drei Tage später wurde ein lateinisches Examenspecimen über den Diktator geschrieben. Dadurch, daß der Rektor die schwersten Stellen diktierte, wurde alles übrige kinderleicht, so daß schon um halb 10 Uhr alles vorüber war, d. h. nach 1 1/2 Stunde. Drei Tage später gab es kinderleichtes mathematisches Examen. Am 24. März erfahren sie, daß am 28. alle 25 Abi­turienten zugleich mündliches Examen haben sollten. So war das schriftliche vorbei, ohne Griechisch oder Französisch.

In der ganzen Zeit vor und während der Prüfung hat der Kreuzschüler damaliger Zeit nicht gebüffelt, sich nicht vom ge­sellschaftlichen Leben ferngehalten; im Gegenteil, gerade in der Zeit dicht vor Ostern werden Gesellschaften, kleine Tanzereien, Gesangsaufführungen, Ausflüge lustig mitgemacht. Nur von Zeit zu Zeit gibt es Geschichtsrepetition und eine Disputation, denn der Unterricht geht in diesen Wochen, wenn gerade kein Examen ist, ruhig fort.

Am 27. abends sitzt er fröhlich mit seinen Freunden zu­sammen, denn am andern Tage soll das mündliche Examen sein. Noch wurden aus Pölitz’ Geschichtswerk Kulturabschnitte vor­gelesen, da der Konrektor in der Geschichtsprüfung Literatur daran nehmen wollte. „Zuletzt aßen wir“, so schließt der Bericht, „unser, so Gott will, letztes Pennalfressen, Butterbemmen und Schweizerkäse.“

Das mündliche Maturitätsexamen selbst: Eine horazische Ode, ein Stück aus des Sophokles Ajax, leicht, überhaupt die ganze Prüfung nicht abiturientenmäßig. Dann kommt der Kon­rektor und prüft Geschichte der Philosophie, nicht Weltgeschichte, worüber sich alle ärgern. Nachmittags kommt noch Mathematik und Religionsgeschichte daran. Auch sie wandern dann in die Tertia und warten, bis sie herübergerufen werden. Der Super­intendent nimmt das Wort; es klingt im Anfang verdächtig: die Regierung habe beschlossen, den Andrang der Studierenden soviel wie möglich zu mindern. Dann kommt aber überraschend die Mitteilung: alle 25 haben bestanden, und gewiß werden sie einst auch auf der Universität gut bestehen!

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/92&oldid=- (Version vom 8.3.2024)