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Zu Michaelis 1831 war schon ein Vorausgefühl zu spüren: man hatte dem mündlichen Examen der Abiturienten zuzuhören, denn damals wurden auch zu Michaelis reifgewordene Schüler nach der Universität entlassen. In Latein, Griechisch, Mathematik, Geschichte und Religion wurde geprüft. Die hinten Sitzenden bliesen in unverschämter Weise ein, und als die „Hebräer“ aus der Bibel zu übersetzen hatten, rissen die Kameraden aus ihren deutschen Bibeln die entsprechenden Blätter heraus und schwin­delten diese nach vorn zu. Während der Beratung der Lehrer waren die Abiturienten in einer Klasse versammelt und schrien zu den Primanern: „Ihr Pennäler!“ Diese antworteten: „Ihr seid noch nichts!“ Freudiger, ernsthafter und doch nicht so gefährlich, als es von fern erschienen war, wurde es zu Ostern selbst. Im Hinblick darauf hatte Julius am 1. Januar 1832 in sein teueres Tagebuch geschrieben: „Halleluja! Heute ist denn das Jahr an­gebrochen, in welchem meine Erlösungsstunde schlägt, diese Schule zu verlassen!“

Mittwoch den 18. Januar meldete er sich mit seinen Freunden persönlich beim Rektor zur Prüfung. Am 10. März beginnt diese mit dem lateinischen freien Aussatz: In eligendo vitae genere quid sit spectandum? Was hat man bei seiner Be­rufswahl zu bedenken? Er schreibt davon: „Ich und Blöde arbeiteten bis halb 4 Uhr, andere noch länger. Der Rektor war sehr wenig in der Klasse, also konnte wegen des Lärmes nicht viel gemacht werden; Kellermann bekam Papierkugeln an den Kopf, während er einschrieb. Blöde holte eine herrliche Butterbemme von der Hausmannsfrau herauf.“

Als es 1 Uhr schlug, brachen alle in ein langes Ach! aus, dies vermehrte sich bei jeder neuen Stunde, da der Rektor zu­fällig nie da war.

Vier Tage später wurde die freie deutsche Ausarbeitung geschrieben: In wiefern bereitet die öffentliche Schule auf das bürgerliche Leben vor?

Auch hierbei war wenig Aufsicht, daher viel Lärm und Unsinn, so daß er, obwohl um 12 Uhr mit dem Entwurf fertig, erst um 2 Uhr abgab. Ein Hauptwitz war: am selben

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/91&oldid=- (Version vom 8.3.2024)