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Wie es damals noch üblich war, fehlte es nicht an Ferienaufgaben, aber da der junge Mann zu Pfingsten wie in den großen Ferien ruhig in Dresden blieb, so hat er gar manchmal vor seinem Zumpt, an seiner lateinischen Ausarbeitung gesessen, ja, er nahm sich des Horaz Episteln mit auf den Spaziergang und lernte darauf los. Nur in den Osterferien und zu Michaelis blühten ihm zwei Fahrten, die eine nach Meißen, die andere nach Neustadt bei Stolpen. Da lebte man bei lieben Ver­wandten nach eigenem Behagen! Charakteristisch ist das Be­dauern, daß vormals freie Tage verloren gegangen sind. So heißt es am 24. Juni wehmütig: eingegangener Johannistag![1] Und als im Sommer 1831 die Cholera droht, wird unter dem 13. Juni der fromme Wunsch aller Klassengenossen geäußert, daß die Cholera, wenn sie kommen sollte, erst nach den Hunds­tagsferien kommen möchte!

Diese gefürchtete Krankheit spielt natürlich hie und da bis in die Schule hinein. Als er in der lateinischen Disputierstunde gefragt wurde, woran Eurydike gestorben sei, hätte er am liebsten geantwortet: an der Cholera. Am 10. September teilte der Rektor mit, daß wegen der Choleragefahr kein Examen stattfinde und die Schule nur kurze Zeit ausgesetzt werde. Ein Anschlag des Herrn Marktmeisters Heerklotz verkündete, daß die Hausmannsfrau kein Obst mehr verkaufen dürfe; überhaupt werde dies die hohe Schulkommission ganz abschaffen, da es die Schüler zur Genäschigkeit verleite und zur Zeit sehr gefährlich sei. „O, höchst ridikül!“ lautet die Schülerkritik.

Als hierauf am 28. September die Translokation (die Versetzung) verkündigt wurde, hielt der Superintendent Güldemann (damals der Vorsitzende der Schulkommission) in Anlehnung an mens sana in corpore sano eine „rührende“ Rede über die Cholera; „wir wären es unseren Lehrern, Eltern und uns selbst schuldig, daß wir alle Vorsichtsmaßregeln anwenden sollten; worauf aus dem Hintergrunde ziemlich vernehmlich ertönte: Camillenthee nicht zu vergessen!“

Nun einiges von den schriftlichen und mündlichen Prüfungen, die abgehalten wurden.


  1. Klemm a. a. O. Bd. 1, 103. 1830 zum letzten Male gefeiert.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/90&oldid=- (Version vom 8.3.2024)