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Von Schulstrafen ist in dem Tagebuche kaum die Rede, da es sich doch um Primanerzöglinge handelt. Wohl wird ihnen, und das war nötig, besseres Verhalten in der Mathematikstunde vorgehalten, damit sie mit dem guten Beispiel vorangingen; auch ihr Auftreten als Hausinspektoren wurde getadelt. In den mitt­leren und niederen Klassen war, wie aus den Lehrerprotokollen jener Zeit zu ersehen ist, Strafversetzung in eine niedrigere Klasse, Sitzen auf der schwarzen Bank, Eintrag in ein schwarzes Buch, eine halbe Stunde in der Klasse knien, Androhung von körper­licher Züchtigung denkbar. Die Abneigung gegen das Rauchen der Schüler auf offener Straße war 1827 noch so stark gewesen, daß der dabei Betroffene mit Rückversetzung in die nächsttiefere Klasse bedroht wurde; es wird wohl kaum dazu gekommen sein.

Jetzt ein Wort über die Ferien, die allen Schülern aller Zeiten willkommenste Zeit! Damals waren sie zu Pfingsten gleich lang wie jetzt; zu Ostern und zu Weihnachten kürzer, denn zu Ostern wurde erst nach Palmarum geschlossen, zu Neujahr schon am 2. Januar wieder begonnen. Die Großen Ferien dauerten 1831 von Sonnabend den 16. Juli bis Montag den 8. August, also 3 Wochen. Die Schule begann merkwürdiger­weise am Vogelwiesenmontag wieder. Natürlich fehlte es beim Herannahen freier Zeiten nicht an Unruhe und Tollheit. Am Freitagnachmittag vor Pfingsten wurde in des Magister Sillig Tacitusstunde von 2–3, sobald er irgend Witze machte, gelacht, gezischt, gebrummt. In der darauffolgenden Mathematikstunde war das Pflaumenwerfen schlimmer als sonst; außerdem ging auf zinnernem Teller eine Bittschrift um spitzige Kreide und um zeitigeren Stundenschluß in der Klasse herum. Erst ironisierte der Leutnant, sie könnten es ja nicht erwarten, wie die kleinen Quartaner. Als aber allgemeines Pochen eintrat, entließ er die Herren Primaner 3/4 4 Uhr.

Am 16. Juli aber „inszenierte das enfant terrible“, der Türausheber, eine Bittschrift an den Rektor: Die erste Klasse bittet um die Erlaubniß, die Lektionen um 10 Uhr zu beendigen. Welches Gaudium, als es genehmigt wurde! Den Zettel mit der Genehmigung und der Unterschrift des Rektors wußte sich der Chronist anzueignen und fügte ihn in sein Tagebuch ein.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/89&oldid=- (Version vom 7.3.2024)