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Von besonderen Schulvorgängen habe ich noch die Synoden, die Ferien, das Abschlußexamen und die Schulfeierlichkeiten zu erwähnen.

Wenn irgend ein wichtiger Disziplinarfall zu entscheiden war. wurde der Unterricht ausgesetzt; die Lehrer vereinigten sich in ihrem oder des Rektors Zimmer, die Schüler mußten, da doch außer den Angeschuldigten vielleicht andere als Zeugen oder als weiterhin Belastete zurückzuhalten waren, in der Schule bleiben, und den Primanern wurde die Ehrenpflicht aufgeladen, die jüngeren Klassen zu beaufsichtigen. Selbstverständlich gab das auch damals den Anlaß zu allerhand Unsinn. Der jüngeren bemächtigte sich eine Art wilden Humors; das süß-schauerliche: etwas Besonderes vollzieht sich, der Unterricht fällt aus, eine außergewöhnliche Aufsicht greift Platz. Je nach der Zahl der etwas unverschämt angelegten Jungen entwickelte sich nun ein Kampf zwischen der Autorität der Oberen und dem Ungehorsam der Unteren. Aber selbst die Oberen wurden von einem Taumel ergriffen. Schon die Anlässe zur Synode belustigten oder in­teressierten. So hatte einst die Ökonomin der Alumnen Milch­brei, der etwas angebrannt war, aufgetischt. Als sie die Teller wieder haben will, schreien alle, lachen und verfolgen sie bis zur Treppe hinunter und rufen: „Das könnten sie nicht fressen“. Und nun wurden diese Herren, wie es heißt, dafür „gewitscht“. Sehr entrüstet heißt es, als auf derselben Synode beschlossen worden war, die Privatarbeiten von Zeit zu Zeit zu kontrollieren, dies sei ein Krähwinkler Beschluß.

Selbstverständlich kamen auch Kneip- und Rauchgeschichten vor die Synode. Aus den zahlreichen Angaben des Tagebuches geht hervor, daß die Leute in ihren Familien oder, wenn sie sich besuchten, mit größtem Vergnügen ihre Pfeifen, ganz selten Zi­garren rauchten. In der Stadt selbst tun sie es nicht öffentlich, und wenn es einmal geschehen ist, wird es als eine Art Helden­tat gebucht. Von geflissentlichem Kneipenleben ist in dem Kreis, dem der Chronist angehört, nicht die Rede. Es wird viel Tee, auch Milch oder Limonade getrunken, seltener Bier. Bei einer Gasterei, die der junge Struve gibt, setzt es Wein, und es ist natürlich, daß diese ungewohnte Pracht verhängnisvolle Folgen

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/87&oldid=- (Version vom 7.3.2024)