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gelesen. Da Horaz neu war und vom Rektor selbst gelesen wurde, ist das Interesse für ihn besonders lebhaft. Um so leb­hafter, als in den neu hinzukommenden 2 Stunden lateinischer Disputierübungen einer stets eine Ode des Horaz ganz nach Philologenart auszulegen hatte; ihm waren Opponenten ernannt, die ihn zu bekämpfen hatten. Der Rektor gab sein Urteil meist in ernster, manchmal in ironischer Weise hinein; dann heißt es wohl: „er brachte Sottisen an“, oder er machte, aber sehr selten, einen Spaß. So machte er bei dem Worte „arena" eine An­spielung auf die Benennung der vor der Antonstadt nördlich ge­legenen Baufläche, auf der wohl nur einfache Leute wohnten und die der Sand genannt wurde. Sicher waren alle Kameraden ganz bei der Sache, schon um zu beobachten und hinterher über den, der geglänzt hatte, wie namentlich über den, der übel be­standen hatte, allerhand Redensarten und Witze loszulassen. Als im Schuljahre 1831 zu 32 der Primus Osterloh die Reihe der lateinischen Vorträge beginnt, nennt Rektor Gröbel diesen An­fang, da es gut ging: auspicatissimum, d. h. von der besten Vorbedeutung. Der Spottvogel schreibt in sein Tagebuch: sonst heißt es wohl bei Vorträgen eher: spicatissimum, d. h. sehr stark gespickt, abgeschrieben. Der Verblüffte, wie der, der selt­same Angewohnheiten hat, nicht minder der, bei dem es herzlich schlecht geht und der Rektor sich äußert: „Hören Sie, daß es nur nicht die Spittelweiber hören!“, werden ins „Merkbüchlein“ geschrieben.

Die lateinisch gehaltene Auslegung einer horazischen Ode, Satire oder Epistel war das Kernstück. Zur Auslegung eines solchen Gedichtes bedarf es nun aber einer ganz besonderen Kenntnis römischer Verhältnisse in Geschichte, Religion, Mytho­logie und häuslichem Leben. Dafür hatte eine Lehrstunde in der Sekunda stark vorgearbeitet. Es ist dies Silligs Unterricht in den Römischen Antiquitäten. Bereits 1829 und 1830 hatte Julius Rachel diesen für beide Sekunden vereinigten Unterricht genossen. Den künftigen Juristen hatte dieser Stoff sehr interessiert, und so hatte er denn sehr fleißig nachgeschrieben. Ein starker Pappband liegt vor, der 241 Quartseiten enthält, die zwar nur auf der inneren Halbseite beschrieben sind, aber viele Zitate und

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/80&oldid=- (Version vom 6.3.2024)