Seite:Paul Rachel Altdresdner Familienleben.pdf/79

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nun aber zu den Kernstücken gymnasialer Bildung, zu Griechisch und Lateinisch.

Das Griechische setzte in den Anfangsgründen damals schon in der untersten, in der sogenannten Elementarklasse, mit 6 Stunden ein; dies setzt sich durch alle 5 Klassen mit ihren 2 oder 3 Unter­klassen, also nach Befinden 9 Jahre lang hindurch fort.

In den 4 untersten Klassen wurden nur grammatische Übungen und Schreibübungen getrieben, sowie Beispiele aus einem Elementarbuche gelesen. In Tertia erscheint Xenophons Anabasis, in der Sekunda gleichzeitig Homer und Arrian; im ersten Jahre der Prima wird des Euripides Medea gelesen. Der Lehrer, M. Wagner, war am Schlusse der Lektion und des Schuljahres zugleich klug und geschmackvoll genug, seinen Pri­manern eine deutsche Übersetzung vorzulesen, die, so sagt der Chronist, „unsere Aufmerksamkeit, da sie schön war, sehr fesselte“. Im zweiten Jahre der Prima wurde in zwei Wochenstunden Herodot, in einer des Aeschylus Prometheus gelesen. Selbst­verständlich wurde zur Privatlektion angemahnt, die im letzten Primanerjahre in Sophokles bestehen sollte; das leichtere war dem Schüler allein überlassen, das schwerere wurde in der Schule geboten. Einen besonderen Eindruck scheint der gewiß schwere Prometheus nicht gemacht zu haben; es wird nur darüber ge­seufzt, daß der Lehrer fast die ganzen zwei ersten Stunden eine lateinische Vorrede aus einer anderen Ausgabe vorliest! Um den Sophokles besser zu verstehen, geht Julius von Zeit zu Zeit auf die Königl. Bibliothek und schreibt sich des gelehrten Heraus­gebers Musgravius Anmerkungen heraus. Von griechischen Arbeiten ist während des zweiten Primajahres und beim Ab­schlußexamen nicht die Rede.

Nun sei des Lateinischen gedacht, das ja der Zeit und der Arbeitskraft nach die meisten Ansprüche an den Gymnasiasten stellte.

In der untersten Klasse tritt es mit 11 Stunden auf, in der nächsten mit 13. In den Sekunden sind es 12, in den Primen sind es 10 Stunden. Es werden gleichzeitig mehrere Schriftsteller gelesen, so in der Tertia Cicero, Ovid, Curtius und Cäsar. In der Prima 31/32 wurden Cicero, Tacitus und Horaz

Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/79&oldid=- (Version vom 6.3.2024)