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Ehe von den zwei wichtigsten Stoffen, den beiden alten Sprachen, gehandelt wird, sei noch die Mathematik erwähnt. Erst gerade im Jahre 1831 war der Mathematikunterricht auf sämtliche Klassen der Schule ausgedehnt worden, aber freilich gab es nur 2 Stunden wöchentlich in diesem Fache. In den unteren Klassen hieß es Arithmetik, von Tertia an Mathematik. Dieser Unterricht wurde bis 1833 nicht von einem „Kollegen“, nicht einmal von einem sogenannten Kollaborator oder Mitarbeiter, sondern von einer Hilfskraft erteilt; diese war damals ein als Leutnant Löhmann bezeichneter Hilfslehrer. Erst im Jahre 1833 ist er in das Kollegium aufgenommen worden; allmählich erhielt er mehr Stunden und vor allem eine angesehene und besser bezahlte Stellung.

Es ist klar, daß in zwei Stunden nur wenig geleistet werden konnte. Erst in Oberprima wurde Geometrie angefangen; ganz zuletzt wurden Logarithmentafeln angeschafft und danach gearbeitet. Es zeigt sich aus den Niederschriften, daß die Schüler weder den Stoff, noch leider auch den Mann ernst nahmen. Er machte kein Hehl daraus, daß er in bedrängten Umständen lebte, für viel Arbeit wenig Bezahlung bekam. Da die Schüler also seine klägliche amtliche und klägliche soziale Stellung kannten, hatten sie wenig Achtung vor ihm, dann und wann wohl ein Gefühl des Mitleids, zumeist aber starke Rücksichtslosigkeit. Aber freilich, im Juli will er den Schülern Maßstäbe besorgen und bittet um das Geld dazu im voraus, da er in seiner Familie 13 Menschen zu ernähren habe, von 20 Taler monatlich für 20 Stunden. Über die hohe Verwandtenzahl machen die Jungen natürlich ihre Witze. Ein andermal hatte er Subskribenten für gedruckte Formeln gesammelt. Er rügte die Witze, die auf dem Zettel gestanden hatten. Einer hatte geschrieben: Mitglied der Garküche zu Strehle; ein anderer hatte die Ablehnung mit „ich og niche" festgelegt, so aber, daß der Mathematikus dies für einen Eigennamen las. Wie gering die Disziplin war, zeigen die naiven Einzeichnungen unseres Oberprimaners.

Je nach der Jahreszeit heißt es: Heute kaufte ich mir für die Mathematikstunde getrocknete Pflaumen oder gute Kirschen. Es hatte dies nicht nur den Zweck, bei guter Weile etwas Rechts

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/77&oldid=- (Version vom 6.3.2024)