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gebildetes Kollegium stand ihm in diesen Jahren zur Seite; gegen 200 Schüler besuchten die Schule, als er sie übernahm, über 400 wurden es in seiner Amtszeit.“

Der junge Kreuzschüler, der ihr 1825 zugeführt wurde, kam also in eine frische Zeit. Und so machen auch seine Auf­zeichnungen einen solchen Eindruck: Trotz mancher kleiner per­sönlicher Mängel, die ihm aufgemutzt werden, war Gröbel ein Rektor, vor dem man Achtung, ja in besonderen Fällen auch Furcht hatte. Sein Spitzname fehlt ihm natürlich nicht. Und wenn ein solcher nicht frech gewählt ist und nicht unbescheiden angewendet wird, ist er nach der Art der Menschen und vor allem der Jugend ein Beweis eines innerlichen, gemütlich heiteren Interesses für den Mitmenschen. Gröbel hieß in den dreißiger Jahren der kleine Nieten, später nur der Kleine, wie Rektor Hultsch in seiner Gedächtnisrede über Gröbel berichtet. Er hatte einmal den Namen des berühmten englischen Naturforschers Newton falsch ausgesprochen, und das wurde ihm vor den Gymnasiasten, von denen gewiß selbst nur wenige etwas Englisch verstanden, zum Verhängnis. Als einen Beweis, wie geachtet, ja etwas gefürchtet der Rektor war, sei der Bericht über eine Urlaubserbittung eingeschaltet. Der junge Rachel wollte zu Michaelis Verwandte in der Sächsischen Schweiz besuchen und hoffte, ein paar Tage länger Ferien zu erhalten. Er wollte seine Bitte in der Schule nach einer Synode bei Gröbel anbringen. Ein kluger Mitschüler aber riet ihm, zu dieser Zeit nicht zu ihm zu gehen, da er nach der Synode mißgelaunt und hungrig sei. Er ließ es daher auf den Nachmittag. Auf dem Wege dahin meldete ihm ein Klassengenosse, der schon beim Rektor gewesen war, er sei heute sehr fidel. „Nichts erwünschter als dies. Auf der Rampischen Gasse wies mir Schneider das Haus des Rektors. Klopfenden Herzens trat ich in den Garten und ging die Treppe hinauf. Ich trampelte auf dem Vorsaal herum; niemand hörte mich; endlich sah ich einen ehemaligen Kreuzschüler, der bei der Rektorin schwenzelte. Ich wartete eine Weile; da kam es getapselt, und siehe, der Kleine tritt heraus und fragt mich: ,Was wollen Sie, mein lieber Rachel?‘ (Gutes Omen!) Ich übergebe mit gehorsamstem Empfehl vom Vater den Brief. Er liest und

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/70&oldid=- (Version vom 2.3.2024)