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sich erschossen hatte, in sein Tagebuch: Meine Gesundheit ist zer­rüttet, mein Gewissen ist verletzt. Grüßt meine angebetete Braut und verehrte Schwester und – lebt wohl!

Fast noch ausführlicher, als über das Familienleben, handelt das Tagebuch über das Leben auf der Kreuzschule in den Jahren 1831 und 1832.

Die alte, ehrwürdige Kreuzschule, von der aus den Jahren 1300 und 1334 schon einige urkundliche Nachrichten überliefert sind, hatte sich aus einer Lehranstalt für Chorknaben zum Gottes­dienste in der Reformationszeit zu einer öffentlichen lateinischen Schule für Elementarunterricht und Gelehrsamkeit entwickelt. Sie ist sich in ihrem Bestande und ihren Unterrichtsstoffen bis zum Anfange des neunzehnten Jahrhunderts mit Vorzügen und Mängeln gleich geblieben. Daß es um die Wende des acht­zehnten zum neunzehnten Jahrhundert mit der Verwaltung des Alumneums, wie mit dem Unterricht der aus der Stadt kommenden Schüler gerade übel genug stand, erhellt aus der naiven Selbst­biographie eines ihrer damaligen Lehrer, des Tertius Heyder. Sagte ihm doch bei seiner Anstellung als Inspektor des Alumneums der Superintendent Tittmann: „Sie wissen, wie verwildert alles drüben aussieht; ich introduciere und schütze Sie.“ Die äußeren und inneren Verhältnisse der Schule riefen laut nach einem Reformator. Und dieser wurde ihr 1816, als Ernst August Gröbel aus Flemmingen in Thüringen – eine halbe Stunde von der Schulpforte, die er auch als Schüler besuchte – ihr Rektor wurde. Wohl war er als letzter in seiner Art in Leipzig als Theologe ausgebildet worden; aber unter dem berühmten Philo­logen Gottfried Herrmann war er ein Freund des Altertums geworden und ein begeisterter Lehrer der Jugend im Verständnis der alten Sprachen und des Geistes der Alten.

„Dieser hellsehende, zum Direktor wie geschaffene Mann sah die Mängel der Kreuzschule gar bald ein, und von ihm war eine Totalreform vorauszusehen. Als eine alte Stiftungsschule, halb öffentlichen, halb privaten Charakters, mit kümmerlich be­zahlten Lehrern übernahm er sie, als ein modernes Gymnasium, als eine wirklich öffentliche Lehranstalt übergab er sie 32 Jahre später seinem Nachfolger. Ein festes und von tüchtigen Kräften

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/69&oldid=- (Version vom 2.3.2024)