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lustig gemalter und phantastisch gekleideter Puppen an. Einer der begabtesten Freunde des Sohnes, der Primaner Gustav Blöde, erschütterte alsdann die Gesellschaft durch den Vortrag des großen Monologs aus Faust.

Zum Schluß, als die Stimmung schon erhöht war, wurde Tierbude gespielt, wobei die Unkundigen vor dem verhüllten, dann aber gelüfteten Spiegel Forderungen derber Art stellten, die sie denn durch das Spiegelbild ihres eignen Gesichtes zu allgemeinem Gelächter selbst befriedigten.

Auch am Geburtstag der lieben, alten Großmutter wurden ihr von Freundinnen oder von der Tochter Blumen- oder Obst­kränze an die Stubentüre gehängt.

Der Sinn für freundliche Überraschungen wurde bei der Jugend gepflegt. Das Ölbild des Vaters, von Prof. Pochmann gemalt, das der Mutter, das Pastellbild der Großmutter hatten herzliche Freude bereitet. So ließen sich denn nun auch die zwei ältesten Söhne in Pastell malen. Der Kreuzschüler lief mit übergeworfenem Mantel in seinem neu geschenkten Schlafrock, den er einmal einen Warschauer, dann wieder einen Kaftan nennt, von der Schießgasse bis nach der Reitbahnstraße, um sich darin verewigen zu lassen. Der zweite ließ sich als junger Feld­messer abkonterfeien. Eine Hauptfreude aber empfanden die Eltern, als ihnen das Bild der einzigen, inniggeliebten Tochter beschert wurde.

Nicht nur an Festtagen verkehrten die Freunde zwanglos bei Mittags- oder Abendtisch im Hause: es ging überhaupt sehr gastlich zu, und am späten Abend mußten die Söhne Besucherinnen nach Hause geleiten. Am 18. September 1831 ging einer von ihnen aus der inneren Stadt hinaus nach der Neuen Gasse mit der Laterne, die noch dazu vom heftig wehenden Winde aus­gelöscht wurde.

Was während des Tischgespräches interessierte, das buchten die jungen Leute. Wie oft sprach der Vater über der Welt Lauf, über die Revolution in Polen, die Gesundheitszustände anderer Städte, über aufregende Begebnisse in der eigenen Stadt. So schrieb einer der Söhne, mächtig ergriffen, die letzten Worte eines damals in der Gesellschaft sehr beliebten Leutnant P., der

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/66&oldid=- (Version vom 7.3.2024)