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gebraten wurden. Die alte Dienstmagd unserer Großmutter briet uns gelegentlich Sperlinge, und noch vor 50 Jahren erlegte sich auf dem stilleren Teile der Schloßstraße ein Polytechniker durch geschickten Stockwurf herumhüpfende Spatzen, die er in die Rock­tasche schob, um sie sich zu Hause braten zu lassen!

Im Hause auf der Schießgasse vor 80 Jahren fehlte es auch sonst nicht an Getier: ein Hund wurde beständig gehalten. Lange hielten sie sich auch im Garten einen jungen Hasen, dessen Fütterung, dessen Herumlaufen und dessen gelegentliches Ver­schwinden die Söhne lebhaft beschäftigte.

Manchen Sonntagvormittag ging die Familie in die Kirche, und sehr offen vor sich selbst schreibt Julius in sein Tagebuch: „es war eine sehr gewöhnliche Predigt bei Güldemann, dem Superintendenten an der Kreuzkirche“; oder er äußert sein Wohl­gefallen an der Predigt des noch heute in Dresden-Neustadt unvergessenen Pastor Schmalz, der sich über das Wort ver­breitete: Der Gottesfreund auch ein Menschenfreund! Am Re­formationstag hört der Primaner eine Predigt Ammons, der einen Vergleich zwischen katholischer und protestantischer Geist­lichkeit zieht, in jenen Zeiten der starken Jesuitengegnerschaft natürlich zugunsten der letzteren. Der junge Mann nimmt an diesem Tage das heilige Abendmahl und bittet im Geiste sein ge­liebtes Mädchen um Verzeihung für alle Beleidigungen, die er ihr etwa zugefügt hat. An einem sehr kalten Himmelfahrtstage wandern sie zu Mag. Böttcher in die Waisenhauskirche (damals am Jüdenteich, dem jetzigen Georg-Platz stehend), und als sie etwas ausgefroren zurückkehren, gibt es ein Glas Glühwein.

Gern bespricht der Sohn die Geburtstagsfeiern der Eltern im Hause. Der 15. Februar, der Geburtstag des Vaters, wurde bei heranwachsenden Jahren der Söhne von ihnen selbst mit „Aufführungen“ gefeiert. Ganz biedermeierlich mutet es uns an, wenn wir vom 15. Februar 1832 lesen: Es wurde ein Altar mit Opferfeuer errichtet. Die Jugend stellte sich in Schweizertracht darum und sang nach einer Arie aus Rossinis Tankred: „Tanti di palpiti“ mit untergelegtem Text ein Huldigungslied. Eine Solo­arie nach einer Melodie in P. v. Winters „Unterbrochenem Opfer­fest“: „Wenn Siegeslieder tönen“ folgte. Ihr schloß sich ein Tanz

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/65&oldid=- (Version vom 7.3.2024)