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Forsthaus), der damals sehr beliebt war. Die Frauen kamen mit dem Wagen nachgefahren. Man traf gute Freunde, aß mit ihnen zu Mittag, und am Nachmittage ging es wieder heim. Vater und Söhne wanderten über die Berge, die herrliche Aus­sicht genießend, zurück. Der Wagen brachte die Frauen und die kleine Schwester zur Stadt zurück. An Mittwochnachmittagen geht es auf den Steiger, nach dem Kaffee in einem Bogenspaziergang über Pesterwitz und Roßthal zum Steiger zurück. Nach einem kräftigen Imbiß geht es wieder nach Hause. Dort wird zur Labung noch eine Milchkaltschale genossen. Um recht schöne frische Milch zu bekommen, sendete an Wochenabenden die Mutter einen der Knaben schnell „auf Zinzendorfs“, an der ehemaligen Langegasse (jetzt Zinzendorfstraße) gelegen. War die Familie zu Verwandten, um Geburtstag oder ein anderes Fest zu feiern, eingeladen, so wurde die Großmutter in der Chaise dahingetragen. Zu häuslichen Festen war sie natürlich die Spenderin hübscher Geschenke. Schwerer befriedigte die Mutter den Geschmack des heranwachsenden ältesten Sohnes, als er seinen letzten Schülergeburtstag 1831 feierte. Sie ließ ihm 10 bis 12 Mützen zur Auswahl hinlegen. Da sie aber, wie er schreibt, alle zu „spießig“ waren, bestellte er sich selbst im Ge­schäft eine, die ungefähr der bald zu erhoffenden Studentenmütze ähnelte. Handelt es sich bei ihm um die wichtige Beschaffung von neuen Hosen, dann geht der Vater selbst mit ihm auf den Altmarkt und kauft den Stoff, etwa die Elle zu 5 Gr. 6 Pf., für ihn ein; er selbst trägt diesen dann sogleich zum Schneider.

Als der Herr Enkel abends einmal einschläft und, leidenschaft­lich träumend, aus dem Barbier von Sevilla die Worte ruft: Hin muß ich zu ihr, der heißgeliebten, ziehn – da hat die Großmutter lächelnd gesagt: Nun ja, solches Zeug hat er im Kopfe!

Im Hause verkehrten nun, da die Söhne älter geworden waren, noch mehr als früher liebe Verwandte, Beamte und Schul­männer, der Finanzprokurator Haase, der Schulrat Günther u. a. Ein Festtag war es, wenn der lustige Onkel Zumpe oder wie es heißt: der Herr Akzisinspektor aus Neustadt bei Stolpen mit Frau und Kindern im eignen Wagen angefahren kam. Sie wurden, so gut es ging, alle beherbergt. Festliche Mähler wurden

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/60&oldid=- (Version vom 7.3.2024)