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Zunächst die Familie selbst!

Ehrfurcht und Achtung erwiesen die Söhne beiden Eltern. Im Jahre 1832 konnten sie es mit einem gewissen Stolze er­leben, daß der aus einfachen Verhältnissen hervorgegangene Vater, der sich durch eisernen Fleiß selbst viele Kenntnisse erworben und sich in Nebenämtern, z. B. als Mitglied des Armendirektoriums, als Vorstand des Augenkranken-Heilvereins, sowie als Pfleger der Blinden, vor seinen Mitbürgern hervorgetan hatte, nach der neuen Städteordnung zum Kämmerer der Stadt Dresden, d. h. zum Finanzmann gewählt wurde.[1] Als diese Wahl bevorstand, bat ihn der ihm befreundete Hofrat Falkenstein, er solle nicht zu hoch fordern. Mit einem gewissen Selbstbewußtsein meinte er: „wenn die Repräsentanten (d. s. die Stadtverordneten) um 100 Tlr. knausern wollen, so sind sie nicht wert, daß ich mich zum Kämmerer hingebe.“ Sie wählten ihn nach seinen Vorschlägen 1832 am 16. Mai, an einem Tage, der 29 Jahre später sein Todestag werden sollte.

Ihm zur Seite stand die von ihm lange heiß umworbene Gattin, die Mutter der blühenden Kinder, von diesen hoch ver­ehrt. Sie war eine begabte, geistig lebendige Frau; sie spielte hübsch Klavier, sang dazu, auch pflegte sie das Harfenspiel. Mit einem unleugbaren Geschick zeichnete sie; mancher Versuch, eine in ihrer Nähe sitzende Person durch den Stift festzuhalten, zeugt davon. Für Dichter und Dichtungen hatte sie lebhaftes Interesse, versuchte sich bei Familienfesten wohl selbst darin. Wie spannten ihre Söhne, wenn sie ihnen vom Dichter Seume er­zählte, von dem sie bei einem früheren Aufenthalt in Teplitz manches gehört und gesehen hatte.

War ihr Geburtstag, dann kamen schon ganz früh Ver­wandte oder Freunde und befestigten an der Wohnungstür eine Blumenranke, darunter einen Kranz, worin der Name der Ge­feierten auf himmelblauem Grund und von Rosen und Immor­tellen eingefaßt stand. Um 10 Uhr wollte dann, es war am 9. Juni 1831, einer der Söhne beim Konditor eine Torte holen;


  1. Als er 1861 starb, rühmte ihm der Direktor der Königl. Blinden­anstalt Georgi im Jahresberichte hohe Verdienste, die er sich um diese An­stalt erworben habe, nach.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/56&oldid=- (Version vom 7.3.2024)