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Aus dem Leben des Kreuzschülers
Julius Wilhelm Rachel.

Erstaunlich ist es, wie so ein junger Mensch damals Zeit gefunden, so ausführliche Niederschriften zu machen, alles so sorg­fältig auszuarbeiten. Die hunderte von Seiten umfassende Hand­schrift ist mit der größten Peinlichkeit und Sauberkeit abgefaßt; sie könnte sofort in die Druckerei wandern!

Wenn ich zusammenzähle, wie oft er eingetragen hat: „ich schrieb im Tagebuche“, so muß ich sagen: er hat reichlich viel Zeit darauf verwendet. Wer möchte aber sagen, es sei rein ver­lorene Zeit gewesen? Er übte sich im Beobachten, im Schreiben. Weit davon entfernt, sich darin selbstgefällig zu spiegeln, wozu Tagebuchschreiberei so oft verführt, sucht er vielmehr treulich, die Erlebnisse und Eindrücke des Tages festzuhalten. Natürlich ist der holden Jugendschwärmerei viel Platz gegönnt. Harmlose Wonnen hat er während des Schreibens, hat er später beim Wiederlesen (und wie oft las er darin!) empfunden!

Um nun zusammenfassend einen Begriff von der Fülle des Niedergeschriebenen zu geben, sei gesagt: Familienleben, Bücher­lesen, Theaterbesuch, musikalische Versuche, eignes Theaterspiel, der Tanz, der Ball werden besprochen. Das Leben mit den Freunden in und außer der Schule, die politischen Vorgänge in der Stadt, im Heimatland, die Aufstände in unmittelbarer Nähe und in weiterer Ferne – alles, was so einen Primanerkopf, ein Primanerherz erfüllen kann, zieht am Leser vorüber.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/55&oldid=- (Version vom 5.3.2024)