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er, ehe die Gesellschaft sich von neuem zum Abend versammelte, in der Stille fort, über die Brücke bis ans Schwarze Tor für sich allein spazieren. „Die herrliche Sternennacht zog meinen Geist in die höheren Gefilde. Feierlich glänzten der Orion, der Sirius, die Zwillinge, in deren Nähe Mars rötlich prangte, zu mir her­über und erschienen mir als Bürgen der ewigen Vaterliebe. Ich war fast der Welt entrückt und schwelgte im Anschauen des prachtvoll gestirnten Himmels. Betrachtungen mancher Art, be­sonders über die Art des Fortlebens nach dem Tode, erfüllten mein Gemüth, und so war ich unbemerkt wieder nach Hause gekommen. Hier präparierte ich nun aus selbst mitgebrachten Ingredienzien einen Punsch. Nach fröhlichem Abendessen setzten wir uns zum Punsche den Tisch an den Ofen und uns traulich um selbigen herum.“ Daß dieser gemütvolle väterliche Sinn auf die heranwachsenden Kinder starken Einfluß haben mußte, ist er­klärlich. Wie er, haben sie alle von einem gewissen Lebensalter an Tagebuch geführt. Vieles von dem, was bisher erzählt wurde und noch zu erzählen ist, geht auf diese Tagebücher zurück.

Der Vater hat nach und nach leider nur immer kürzer werdende Notizen gemacht, oder bald ganze Jahre garnichts mehr eingetragen. Selbst über die schweren Erfahrungen, die er 1848 und 1849 machen mußte, schweigt das Tagebuch. Da er zu den konservativen Mitgliedern des Rates gehörte, wurde er in der Zeit der stürmischen politischen Bewegungen vielfach angefeindet. Als er in den Maitagen 1849 pflichtgemäß trotz der Bitten der Seinigen aufs Rathaus ging und von da ergebnislos zurückkehrte, wurde er von den aufgeregten Volksmassen beleidigt, ja schwer verletzt. Beim Überschreiten einer entstehenden Barrikade, die ihm den Heimweg erschwerte, gerieten einige Steine ins Rutschen. Sogleich warf man ihm vor, er wolle die Barrikade demolieren, beschimpfte, schlug ihn und warf nach ihm mit Steinen. Er wurde von mitleidigen Personen hinweggeführt, auf eine Bahre gelegt und so über die Mauer seines Gartens in sein Heim geschafft. Auch darüber schweigt er in seinem Tage­buche. Ganz anders die Söhne, die sich gern, auch über Un­bedeutendes, verbreiteten. Sie machten sich zunächst wohl auch nur kurze Notizen, arbeiteten solche aber im Laufe der folgenden

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/43&oldid=- (Version vom 5.3.2024)