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der Ida Prutz, mit der Hermann auch nach ihrer Verheiratung in freundschaftlichem Briefverkehr geblieben war, widmete dem Freunde seines Hauses ein Sonett.

Es lautet:

Heil Dir, o Geist, Du schiedest von dem kranken
Gefährten Deiner selbst, Du hast vollbracht
Den schönen Sieg, nach dem das Licht dir lacht,
Das ew’ge Licht jenseits der Erde Schranken.

Dich preisen wir, denn Deine Fesseln sanken,
Und über Dich, befreit aus Erdennacht,
Verloren Schmerz und Irrtum ihre Macht;
Du weilst verklärt am Urquell der Gedanken.

Doch wir, die wir noch in den Fesseln leben,
Dem Schmetterlinge gleich, der flügelschlagend
Den Ausgang sucht, geängstigt und gequält,

Wir, denen noch des Todes Freiheit fehlt,
Wir, noch in der Beschränkung zweifelnd, klagend,
Wir sind dem Schmerz, dem ird’schen, preisgegeben.

Wenn ich in jüngeren Jahren in meiner Familie die älteren Mitglieder, die ihn gekannt hatten, über ihn sprechen hörte, ver­nahm ich stets die besonders hervorgehobene Bezeichnung: Der gute Hermann. Und in seines Vaters, des Kämmerers, Rechnungsbüchern, die ich so oft benutzt habe, sind die Ausgaben, die Krankheit, Tod und Nachlaßordnung für den geliebten Sohn ver­anlaßten, von demselben Vermerk begleitet: für den guten Her­mann. –

Ich darf wohl hoffen, daß das Zeit- und Menschenbild, das ich auf Grund alter Niederschriften an den stillen Abenden einer bewegten Zeit zusammengestellt habe, nicht nur im bescheiden geschichtlichen Sinn manchen erfreut hat und für später einen ge­wissen Wert behalten wird, sondern daß auch die Schilderung der Entwickelung dreier junger Dresdner freundlich beurteilt werden wird.

Ein junger Jurist, eifrig, strebsam, verstandes- und ge­schäftsmäßig alles betreibend; ein junger Techniker, alles Neue, Praktische rasch ergreifend, unermüdlich ausübend; ein junger Mediziner, mehr schwärmerisch noch, als tätig fest eingreifend: drei Brüder aus einem Stamme, verschieden in ihrer Anlage, ihrem Auftreten, ihrer Wirkung, darin aber einander gleichend,

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/238&oldid=- (Version vom 18.3.2024)