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„Wohl mag ihm der Gedanke peinigend seyn: ,ein Anderer ist um meinetwillen in solche Gefahr gekommen‘; mir half die ge­wisse Begeisterung alle möglichen Gefahren überstehen und über­winden; ich war über Dinge, die ihn noch nachträglich peinigen, ruhig; ruhiger, als wenn ich für mich selbst dagestanden, da ich wissen konnte, daß die mich treffenden Vorwürfe minder heftig sein würden. Ihm fehlen diese Hebel; eben aus Liebe zu mir denkt er sich alle möglichen Gefährnisse, in die ich mich gebracht; allen Kummer, den ich über Eltern und Geschwister gebracht; und zuletzt die qualvollen Betrachtungen, zu welchen er veranlaßt worden!“ Der Briefwechsel wurde ruhiger, die Familie erfuhr samt den befreundeten Familien allmählich von der kühnen Unter­nehmung. Die Anerkennung überwog selbstverständlich die Ver­urteilung der Tat. Man hatte den liebenswerten Charakter selbst in dieser Handlung erkennen und schätzen gelernt.

Sie bildet zugleich die letzte Niederschrift bedeutenderen In­haltes in den Heften, die er unter der Bezeichnung ‚Erlebtes‘ hinterlassen hat. In den wenigen Wochen, die das Jahr 1841 noch übrig hatte, überwiegen Angaben über seine wissenschaft­lichen Studien, die Vorbereitung zu seinem ersten Examen. Aus dem Jahre 1842 ist nichts übriggeblieben; gewiß hat er das seit 1837 mit solcher Liebe betriebene Werk, Erlebnisse kurz festzulegen und später ausführlicher zu beschreiben, noch fort­gesetzt; wodurch gerade die des Jahres 1842 verloren gegangen, ist mir nicht bekannt. 1842 wurde sein Todesjahr. Es ist das durch seine Hitze so verderbliche Jahr. Manche deutsche Städte fielen ihr zum Opfer, so Hamburg, und im engeren Vaterlande Oschatz und Camenz. Zugleich schädigten auch, wie so oft bei außerordentlichen Witterungsverhältnissen, Krankheiten die Menschen. So wurde auch Hermann Rachel im heißen Leipzig während des Monats Juli vom Nervenfieber ergriffen. Vater und Bruder Julius eilten hin, um sich an seiner Pflege zu beteiligen. Täg­lich schrieb der liebende Vater, der dem Erkrankten alle kleinen Liebesdienste am Bett selbst leistete, zweimal der besorgten Mutter. Klarheit und Fieberphantasien wechselten tagelang. Als ihm der Vater in lichtem Augenblick Gutes erwies, zog ihn der Sohn an sich und küßte ihn voller Dankbarkeit. „Er schlummert wieder sanft. Die Sophie kehrt eben jetzt aus; da verlangt er

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/236&oldid=- (Version vom 18.3.2024)