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durch die Kirmeswallfahrer hindurch und stärkten sich in Stadt Coburg. Während die Freunde zum Schluß ein Spielchen machten, setzte er selbst sich in die Sofaecke und las – in Goethes Wahlverwandtschaften.

Zum Schluß macht sich bei dem ganzen Vorfall, der bei ungünstiger Wendung Tod oder Verwundung und Bestrafung hätte zur Folge haben können, das Jugendlich-Studentische geltend. Einer der Freunde, der früher erwähnte Kohlmetz, macht den Vorschlag, mit ihm in seine von der Familie zur Zeit verlassene Wohnung zu bummeln, dort Junggesellen- und Studentenwirtschaft zu treiben und ,abermalen‘ einen Weinpunsch herzustellen. „Da sich schon dicke Finsterniß auf die Stadt Dresden herabgesenkt, wird der Vorschlag befolgt, mein Mantel läßt nur meine Augen herauslugen, sonst ist alles verhüllt: ich bummle bei den vom Lincke’schen Bade zurückkehrenden Dresdnern vorbei! Die Lager­wirtschaft beginnt, einer holt Wasser, der andere spaltet Holz, der dritte macht Feuer, schlägt Zucker, preßt Citrone, wischt Terrine und Gläser aus – wahrlich, ein herrliches Genrebild, das noch ruhiger und angenehmer wird, als wir um die Bowle herumsitzen und fidel kneipen. Mein Geburtstag (am 1. Nov.) wird im voraus honoriert. Während die übrige Clique fortbummelt, wird mit Kohlmetz wieder Ordnung hergestellt, die Lagerstätten bereitet und allerlei Mäntel und Decken vertheilt, dann friedlich mit ihm geschwatzt. In voller Montur geschlafen, um morgen das lästige Anziehen zu ersparen – ich muß gewisse dämonische Gedanken abwehren, die in mir aufkommen und mich tadeln wollen ob meines Begnügens mit dem Erlebten! – Qual der Selbstunzufriedenheit! Verwünsche, daß ich mich habe überreden lassen!“

Am andern Morgen reist er nach Leipzig zurück, ohne seine Familie gesehen zu haben. Es wurde ihm schwer, wieder in das Arbeitsleben hineinzukommen, zuviel ‚lyrisches Element‘ machte sich geltend. Dann mußte er doch das Geschehene dem mitteilen, für den er, ohne es ihm anzuzeigen, so ritterlich eingetreten war. Er tat es in wilder und doch auch milder Stimmung. Leiden­schaftliche Briefe kamen aus der Ferne zurück; Anerkennung, Dank, aber auch Vorwürfe wegen der möglichen Folgen wechseln darin miteinander ab. Der junge Mann schreibt darüber selbst:

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/235&oldid=- (Version vom 17.3.2024)