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Angst, welche er, nach seinem bleichen Gesicht zu urteilen, aus­gestanden, genugsam bestraft worden sei. Und wirklich, der nicht sehr tapfere Gegner schwankte fast nur und stützte sich auf den Arm des Sekundanten, zumal beim Prozeß des Ladens, als die Kugeln aufgesetzt und die chirurgischen Instrumente ‚entwickelt‘ wurden. Alle Förmlichkeiten wurden getroffen, die Sekundanten traten einige Schritte weit zur Seite, um nötigenfalls ihr Halt zu rufen oder selbst zu schießen – in der Mitte die Doktoren – das Kommando erfolgte. Der Gegner ging nicht vorwärts, der Forderer deshalb nur wenige Schritte. Die Schüsse erfolgten, nicht gleichzeitig, der Gegner schoß 1/2 Minute früher. Er schien seitwärts zu halten, der Forderer zielte nach Schenkel und Stock, auf den jener ziemlich haltlos sich stützte. „Wir standen beide; der Sekundant fragte mich, ob ich befriedigt sey; die Bedenkzeit war kurz, ich gedachte an die Reden meiner Freunde kurz vor­her; der alte Doktor sah ernst auf mich herab; ich hatte am Ende das erreicht, was ich nur im glücklichen Falle erreichen konnte, kurz – ich sagte ja! Der alte Doktor kam auf mich los, gab mir die Hand: ,Sie haben ehrenvoll und achtungswerth gehandelt!‘ – Mein Gegner kam mir entgegen, ich tat das Gleiche, gab ihm mit weg- oder niedergewendetem Haupte die Hand“. Aus dem Nachspiel sei erwähnt, daß der speculator ab altis böse Angst ausgestanden hatte, als nach dem Kugel­wechsel ganz unheimliche Stille herrschte. Der Gegner, vom Sekundanten gefragt, ob er Genugtuung erlangt habe, hatte nur kurz gesagt, er sei nicht beleidigt gewesen. Während des Schießens hatte es merkwürdig geklappert; es fand sich, daß der Forderer seinen in einiger Entfernung zum Abstecken des Platzes ver­wendeten Stock getroffen und zerschossen hatte.

Schnell ging es zurück nach Volkersdorf in den Gasthof, um zu packen, einen mittlerweile eingetroffenen Wagen zu besteigen und nach Dresden zu fahren. Die Wirtsleute waren nicht allzu sehr erstaunt, daß die Botanisierer so schnell ver­schwanden: vielleicht hatten sie etwas von dem eigentlichen Vor­haben geahnt; vielleicht war ihr Haus schon früher der Aus­gangspunkt für solch heimliche Unternehmen gewesen. Zur Ab­fahrt kamen vom Heller schnell noch andere Freunde, die drüben gewartet hatten, herüber. Alle fuhren wieder nach Dresden mitten

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/234&oldid=- (Version vom 17.3.2024)