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sich diese alle nötigen Auskünfte über Standort und Aufsichtsgebiet der Landgendarme und die Grenzen der Jurisdiktion der Stadt Dresden.

Nach guter Nachtruhe überlegt sich der junge Mann seine ganze Lage! Sein Gegner hat sich mit Pässen nach der Schweiz versorgt. Er kann und will dies nicht. Trifft ihn eine Strafe, wird er sie absitzen und „in währender Zeit fortbüffeln“. „Ist doch solcher Arrest nicht mit der gewöhnlichen Art zu vergleichen, außerdem würde er auch zu lange anhalten, wie die erfahrenen Beispiele lehren. Allerdings böse Aufregung und bittren Jammer würde solches Ende mit sich führen. Quid juvant lacrymae? ich muß handeln, also satis hac de re! Nur eines wünschte ich: Paukerei auf Säbel oder größere Geschicklichkeit im Schießen; ich bin um der Meinigen willen genöthigt, anders zu handeln, als ich sonst nach meiner Überzeugung handeln würde; ich darf nicht corpus halten, wenn ich nicht riskieren will, ihn todzuschießen; ich muß mich mit den Extremitäten begnügen und fast auch da mit den Seiten – genug, dieß ist eklig und das Treffen problematisch“. Nachdem die Freunde aufgestanden, lassen sie – es ist Reformationstag – mit dem Rest Wein­punsch, der auf dem Tische steht, Dr. Martin Luther leben. Die Wirtin bringt dazu delikaten Kirmeskuchen als Frühstücksbrot herein. Die Sachen werden noch völlig ausgepackt, und alles zurechtgelegt für den Fall, daß er...!

Nun brechen sie auf, um zu botanisieren, treffen unterwegs den Sekundanten des Gegners, einen der Ärzte und einen Stu­denten, der sich erboten hat, den speculator ab altis, d. h. den Aufpasser auf den Höhen für den Zweikampf abzugeben. Ein passender Platz wird jenseits der Dresdner Jurisdiktionsgrenze gefunden auf fremdem Gebiet in einem Bauernholze zur Seite eines Meilen- und Wegzeigers, der an dem Scheidewege steht nach Volkersdorf-Bärndorf. Der Platz wird abgeschritten, zwei Rohrstöcke eingestoßen. Während der gegnerische Sekundant dem Gegner und dessen Doktor, einem alten, würdigen Bataillons­arzt, entgegenging, drangen die Freunde in den jungen Studenten, nicht zu kühn zu schießen, um unerwünschtes Unglück zu ver­meiden. Diese Bitte wiederholen sie, als sie den Gegner näher und näher kommen sehen: sie meinen, daß selbiger durch die

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/233&oldid=- (Version vom 17.3.2024)