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auf solche Art verfahren; ich bin nicht blutgierig und will etwa seinem Leben ein Ende machen, dieß liegt mir fern; er soll bloß wissen, daß solches nicht ungestraft sich thun läßt. Mag es ihm so oft gelungen seyn, als bisher versucht, dieß mag der Mark­stein seyn! Ich kenne meine Leute, wie gesprächig sie seyn würden, wenn die ganze Sache ungerügt vorbey ginge.“ Das wiederholte Angebot einer Ehrenerklärung wies er mit ganz ent­schiedenen Worten zurück. Sofort schrieb er um einen Sekun­danten, der die weiteren Verhandlungen führen sollte. Dann eilte er nach der Saloppe, labte sich an dem lieben Elbtal, das sich in schönster Beleuchtung ausdehnte – es ist ein köstlicher Oktobertag! Bald wurde es kühl, und der Aufbruch mit den Freunden, die ihn liebreich empfangen hatten, nötig; kaum konnte er sich von dem Anblick des herrlichen Panoramas trennen, das er so lange nicht in solchem Schmuck und Abendglanze gesehen.

Bald darauf reiste er zu der ihm so lieben Familie des alten Malers Kersting in Meißen. Am Abend dieses Tages wird gerade der Geburtstag des Papa Kersting gefeiert. Leute aus der Stadt kommen und beschenken den beliebten und ge­ehrten alten Lützower. Verschiedene Gesänge werden vorgetragen. Die Frau des Dompredigers, noch jung und zärtlich an der Seite des Gatten, erfreut alle mit ihrer hellen kräftigen Stimme, mit ihrem Ausdruck, ihrer Wärme. Zuletzt wird das Wort „Malervorsteher“ in einzelnen Silben dramatisch oder bloß mimisch dargestellt; am besten gelingt das Ganze: treue Kopie des Alten, wie er nach Tische in der Sofaecke schlummert, durch einen der Söhne dargestellt. Wer gedächte nicht des hübschen Innenstückes des alten Kersting selbst: Die Stickerin am Fenster, wo wir gewiß die Sofaecke seines eigenen Zimmers sehen?

Mitten in diese trauten Festlichkeiten hinein fallen die Ver­handlungen mit Kerstings Sohne, der ihm als Sekundant dienen soll. Mit ihm und einem Arzt verabredete er sich zum Gang nach Oberau, wo in der Nähe des Tunnels der Zweikampf stattfinden sollte. Erst war der Heller vorgeschlagen worden, aber er scheute wegen der Stellung des Vaters in Dresden, der doch als Kämmerer dem Rate angehörte, die allzu große Nähe der Stadt. Der Gegner erschien zwar in Oberau, erklärte aber, eben

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/231&oldid=- (Version vom 17.3.2024)