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Personen manche dunkle Wolken werde aufsteigen sehen, ahnte er. Prutz war oft melancholisch, von den Zeitinteressen nur zu gewaltig hingerissen. Dunkel mochten alle Näherstehenden bei der freiheitlichen, oft wohl stürmisch sich äußernden Gesinnung des Dichters Schlimmes ahnen. In Halle und in Dresden hatte sich Prutz an Arnold Ruge und Echtermeyer angeschlossen, die in den Hallischen Jahrbüchern kein Hehl aus ihren fortschrittlichen Gesinnungen machten.

Im Mai 1841 hatte Prutz seine Hochzeit gefeiert, und zwar in Tharandt, still und ohne Gäste. Dresdner Freunde waren an jenem Tage, mehr zufällig als geplant, an der Tharandter Kirche vorübergeschritten. Sie hören Gesang und bemerken Hochzeitsfeierlichkeiten. Die Kirchtüre öffnet sich und heraus tritt – Dr. Prutz mit seiner jungen Frau.

Letzter großer Schmerz des jungen Studentenherzens! Hübsch, wie er sich faßt und schreibt: „Bedarf Sie je eines Freundes, sollte je das Glück sich von Ihr abwenden – dann nehme ich die langgetragene Farbe wieder hervor, obschon ge­bleicht, und der letzte Vers aus dem Gedicht des alten preußischen Offiziers wird zur Wahrheit!“

Unter Gedichtabschriften, die seinen Papieren neben eignen Entwürfen zahlreich beiliegen, ist dies Gedicht „Lebewohl“ ge­nannt. Es ist ein Lied, das Entsagung atmet.

Leb wohl! – Noch einmal blickt’ ich nach dem Sterne,
Der meinem Dasein kurzen Glanz verliehn,
Jetzt laß mich in des Lebens öde Ferne
Ein Wandrer ohne Weg und Hoffnung ziehn.
Hell leuchten dir der Jugend bunte Kerzen,
Die Freude schwing den Kranz um deine Brust,
Dein bleicher Freund steht mit gebrochnem Herzen
Und lächelt still von fern zu deinen Scherzen,
Doch nie trübt sein Erscheinen deine Lust.

Nur wenn, wie selbst des Tempels Säulen wanken,
Vielleicht auch dir das Unglück Wunden schlägt
Und einen Freund du suchst, der in die Schranken
Für dich mit Mut und Lust sein Leben trägt,
Nur dann noch denk an mich und gönn umwunden
Von deiner Farbe mir den blut’gen Strauß,
Und ein Cypressenkranz, von deiner Hand gebunden,
Versöhnt vielleicht doch meine letzten Stunden
Noch schön mit dem entzweiten Leben aus.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/223&oldid=- (Version vom 17.3.2024)