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2 Uhr 35 Minuten erfuhr ich’s – Gott sey ewig Dank! von Ihr selbst, und nicht von dritter, vierter Hand oder durch Karte, Zeitung! Nur eins schmerzte mich noch: Sie schrieb mir: ‚Ihre Zeit erlaube es nun nicht, fernerhin meine Briefe zu beantworten, wie bis jetzt. Sie könne daher mir selbst nicht zumuthen, auch noch an Sie zu schreiben.‘ Ich fühlte zwar, daß Sie es wahrlich nicht so gemeint hätte, als man aus und nach den Worten folgern könnte, aber dennoch hinterließen diese Worte einen bittern Stachel des Schmerzes.“

Bald eilte er zu den lieben Freunden Reinhard, holte mit ihnen auf dem Rückweg zur eignen Wohnung Wein und Zutat. Damit und mit Tagebuch und Briefen ging es zurück zu den Freunden. Bei gefüllten Gläsern lasen sie in diesen Urkunden der Freude, die nun dahin war! „Ihr, Ihm und Ihrem Heile wurden Becher geweiht. Stumm bat ich vom Himmel um Segen für Sie, um Ruhe für mich. Das letzte Glas und dessen letzter Tropfen galt eines jeden Lieb! galt Ihr! Der Heimweg wurde mir schwer; nun war ich des Gefühles, des Gedankens, der Erinnerung an uns für Sie beraubt, welches jedem Tag ein Interesse, einen heimlichen Reiz verliehen.“

Und ebenso schwer mußte es ihm sein, als dann Robert Prutz in Dresden erschien und in der Familie verkehrte, in der der junge Mann so manche schöne, hoffnungsvolle Zeit verbracht hatte. Als er merkte, daß der Gelehrte und Dichter von einzelnen Familienmitgliedern beinahe abgelehnt, fast wie ein Fremder be­handelt wurde, so nahm er sich seiner und der Braut in ritter­lichster Weise an. Wie dankte sie ihm dies, ihm, dem früheren Vertrauten und Freunde ihrer Mädchenjahre! Glücklich schreibt er voll süßer Erinnerung in sein geliebtes Tagebuch: „Diese wenigen Worte von Ihr, dieselbe Herzensgüte, das Vertrauen, wie früher, gegen mich war wohlthuender, beruhigender und geistig erwärmender als zehntausend allgemeine Trostphrasen von gleichgültigen Leuten.“

In den folgenden Zeiten traten Hermann und Prutz einander näher. Gewiß hat der Dichter Prutz den jungen Mann für sich gewonnen. Als er einst in Leipzig von ihm auf der Straße angerufen wurde, begrüßten sie einander freudigst mit Hand und Mund. Daß die Ehe zwischen den beiden ihm befreundeten

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/222&oldid=- (Version vom 17.3.2024)