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Im Sommer 1839, also wenige Monate vor der Meißner Fahrt, war Ida Blöde, Hermanns Jugendschwärmerei, nach Halle zu Besuch bei Arnold Ruges gereist. Prutz lernte das schöne, lebhafte Mädchen kennen und huldigte ihr, widmete ihr manches Gedicht. Freudig schrieb sie dem Jugendfreund, daß ihr hier beschieden sei, was ihr in der Heimat versagt sei. Man schätze sie, man gehe in freier, heiterer Weise mit ihr um; alles Kleinliche verschwinde. Treuherzig schreibt der junge Mann in sein Tagebuch: „Sie fühlt sich frei von allem, was in Dresden drückend auf ihr lag und sie beengte. Sie hat Raum, findet Anklang bei ihrer Umgebung und entwickelt ungefährdet ihre reine und edle Individualität. Prutz versteht Sie am meisten und weiß ihren Werth vollkommen zu schätzen, was auch Sie fühlt und lobend, ja liebend anerkennt. Was sie innig gewünscht, wornach sie sich von jeher gesehnt: ein geistiges, poetisches, freies und herzliches Leben, ist ihr dort gewährt. Ich erinnerte mich heute an jene glücklichen Stunden, wenn wir allein miteinander verweilten und traulich schwatzend, eines dem andern seine Träume und Schwärmereien erzählte und sich dessen entledigte, was das Herz drückte. Da mir es einmal bestimmt ist, einen eigenen Weg und eben wegen seiner Eigentümlichkeit diesen allein zu gehen, möge Gott ihr dort ein liebendes Herz, das ihrer würdig und sie zu würdigen weiß, zuführen. Der Brief läßt schon vieles ahnen und hoffen; vielleicht gelingt es Ihm! Zu Haus sind wahrlich wenige bestimmt, so glücklich zu seyn, Sie zu verstehen, Ihre Herzlichkeit zu fühlen und Sie zu lieben und eben deshalb ihrer werth zu seyn. Träume sind Schäume. Doch ehe ich Sie unglücklich oder einst allein und von einem Herzen ungeliebt wissen möchte, wollte ich ihr lieber meine unbedeutende Persön­lichkeit als Lebensgefährten und Freund gönnen. Ist ihr Name doch ein Klang, mit dem ich alles umfasse, was mir jemals Edles, Schönes, Liebenswürdiges erschienen ist. Bis zwei Uhr morgens Briefe geschrieben, worunter der an sie als Begrüßung zum 7. Juli (ihr Geburtstag) der theuerste und wärmste. Hatte mir doch ihr ebenso geist- wie gemütvoller, mit Wärme und Herz­lichkeit geschriebener Brief einen so herrlichen Genuß bereitet.“

Er gedachte gewiß der Lieder, die er zu ihren Geburtstags­festen oder zu anderen Gelegenheiten wohl mehr für sich als für

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/220&oldid=- (Version vom 16.3.2024)