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Glanz des Mondes Strahlen zurück. Die fernen Gegenden lagen in dicken Nebel gehüllt und verliefen sich in graue, formlose Massen. Das Kleine und Unbedeutende verschwand, nur die mächtigen Berge, der Strom, ruhig blinkende Lichter im Dorfe traten im blassen Schein hervor. Alle lagerten sich auf die um­hergeworfenen Steinblöcke und überließen sich kurze Zeit dem mächtigen Eindruck. Wahrlich eine romantische Gruppe! Luitgarde saß wie Loreley auf der hervorragenden Klippe und blickte schwindellos in die steile Tiefe, die Übrigen bildeten einen Halb­kreis um sie herum.

Mich grüßte Alles wieder,
In stiller Mondesnacht!

Lange dauerte die Ruhe nicht, Gesang befreite allen die Brust von trüben Gedanken, und ein altes Lied „Steh ich in dunkler Mitternacht“ nahm alle ernsten Gefühle auf, und die hin- und herfliegenden Klänge führten sie fort auf schnellen Flügeln. Stumm und still saß ich neben ihr; ein kalter Stein zog nur eine dünne Scheidewand; es war das Bild meines Lebens; zogen auch gleiche Gefühle uns zu einander hin, nur geistig durften sie uns verbinden, kalt trat Welt und Schicksal zwischen uns und zog seine Schranke.

Kennst du noch die irren Lieder
Aus der alten schönen Zeit?
Sie erwachen alle wieder
Jetzt auf Bergeseinsamkeit!

Wilde tobende Lust trat an die Stelle des vorigen Sinnens und Brütens. Es wurde getanzt. Sie kam auf mich los und walzte in weiter Runde mit mir herum; in verzweifelter Lust umfaßte ich den theueren Leib und hörte nicht auf, uns herumzudrehen, bis Sie ermüdet in meinem Arme hing. Es wurde abgebrochen. – Gute Nacht!“

Am anderen Morgen eine herrliche herbstliche Frühwanderung nach Meißen; der Korb einer hausierenden Frau wird dort um­flattert und mitten auf der Straße ein lustiger „Kuchenknipp“ gehalten. Auf dem Rückweg hilft der flotte Student auf der Bergstraße einem alten Winzer seinen schweren Karren nach Oberspar hinaufschleifen. Zum Dank erhält er eine schöne Traube, von der er aber nur wenige Beeren nascht.

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/218&oldid=- (Version vom 16.3.2024)