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beseelt, wie sein Nachbar – eine schwarzbraune junge Dresdnerin, welche von Meißen nach Lommatzsch zu Fuße reisen mußte, um eine geringe Erbschaft zu erheben, mit einigen Schachteln und einem gefüllten Kober versehen, dem sie dann und wann ein kleines Träubchen entnahm – ein bedachter Schulmeister aus der Meißner Pflege, höchst höflich und ein umständlicher Zuhörer; dazu kam später noch ein fideles altes Haus mit grauen Haaren, der an Munterkeit alle anderen übertraf. Die junge Schöne reichte uns hilfreiche Hand mit einer Haarnadel, als uns ein Instrument zum Reinigen der Pfeifen fehlte. Wir kamen an; bald stiegen wir den Bergpfad hinan, schlichen uns durch die Pforte, warfen die Sachen ab und traten unverhofft ein.“ Er trifft die Familie Blöde und eine „reiche“ Gesellschaft. Besonders wird sie belebt durch die Familie des „Generals“[1] der auf einem Nachbarweinberg mit Frau und interessanten Töchtern haust. „Er, ein ältlicher Mann, mit militärischem Anstand, dessen Kleidung und Wesen aber auch auf den Jäger schließen läßt; freundlicher, biederer Charakter, der tiefere Studien, als gewöhnlich, getrieben hat. Madame, bequem, herzlich und liebevoll im Um­gang, so daß man sich bald in ihrer Nähe wohlfühlt. Kunigunde, vulgo Gundel, eine untersetzte volle Gestalt, Gemisch des väter­lichen und mütterlichen Charakters, geistig aber still, häuslich und einfach; Luitgard, schlanke, lebendige Gestalt, deren Wesen ebenso unruhig wie ihre Augen.

Das Fräulein ist ein schönes Kind,
Sie hat so muntre Augen.
Die Augen so verliebet sind,
Zu sonst sie gar nichts taugen.

Luise, blühendes, liebliches Wesen von 16–17 Jahren, schneeigen Teint auf Gesicht und rosigem Nacken, gleich scharf an Geist als in Liebe; sie liebt vor allem das Feine, das nur Noble.“

Heitere Stunden verbringt er mit den Freunden, mit den Mädchen. Gemütliches Schlendern durch die Berggassen des Spargebirges; nach dem Abendbrot ein „romantischer“ Spaziergang auf die Bosel. „Herrlicher Abend – alles lag vom bleichen Licht des Mondes überzogen in einer geisterhaften Ruhe; kalt und still fluthete im Thale der Strom und spiegelte im herrlichen


  1. Es war ein General von Langen.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/217&oldid=- (Version vom 16.3.2024)