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die Eltern vernünftige Trennung von dem jugendlichen Geliebten. Ein Aussiger bewarb sich um das schöne Mädchen, und so wider­wärtig er natürlich den Dresdner Freunden erschien, er sollte ihr Gatte werden. Das Mädchen versicherte durch den Schreiber des Tage­buches den, den sie verlassen sollte, noch einmal ihrer treuen Ge­sinnung und ließ ihm ein Stammbuchblatt überreichen, auf dem er sich aussprechen durfte. Wie heftig diese jungen Geister und Herzen ergriffen waren, das zeigen die Worte, die der Vermittler kurz vor dem letzten Abschied eintrug. „Ich bog mich um die Ecke und näherte mich dem Fenster, welches auf den Hofraum hinausgeht; da stand Sie auf den Fenstervorsprung gestützt, die Augen halb geschlossen und die Hände zum Gebet gefaltet. Heiße Thränen rieselten mir über die Wangen, ich betete mit, ob für Sie, ob für ihn, für mich und für alle, daß Gott ihnen dieses Leid erleichtern, allen Lieben aber ersparen möge – das weiß ich nicht; genug, ich that es. Ich trat hinaus, näherte mich ihr, bat, ruhig und mit Gottvertrauen jetzt zu tragen und das Zu­künftige zu erwarten. Ihre erste Frage war nach ihm, was er mache, was er gesagt habe, wie er es ertrage. Ich beruhigte sie. ‚Liebster Rachel, ich habe Ihnen mein ganzes Herz er­öffnet mit großem Vertrauen, Sie sind dessen würdig; ich fühle es, wie tief Sie bewegt werden; mein Leid ängstigt mich nicht, auch nicht mein nächstes Leben, nur er, sein Trübsinn und sein Schmerz steigert meine Angst zur Qual; ich habe viel geduldet, am meisten, wie ich meine Neigung zu unterdrücken strebte; das Widerwärtige meiner Verhältnisse, die nur selten abwechselnd glücklichen Stunden – alles ist’s nicht, was mich jetzt foltert, nur der Gedanke an sein Unglück. Bitte, erfüllen Sie mir meine Bitte, ihn zu erheitern, ihn nie zu verlassen. Sagen Sie ihm, er bleibe ewig in meinem Innern, was er mir gewesen, er solle und müsse aber ruhig sein – um meinetwillen. Gehen Sie jetzt, bitte!‘ Ich wankte mehr hinein, als daß ich ging“. Die Mädchen begleiteten nun die Jünglinge auf ihrem Wege nach Teplitz hinaus vor die Stadt; an einer Heiligensäule nahmen sie Abschied – lange blickten sie noch einander nach.

Von Aussig führte sie der Weg nach Teplitz. Ihm blieb davon nur eine schöne Viertelstunde in dauernder Erinnerung,

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/215&oldid=- (Version vom 16.3.2024)