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war’s dunkel und grau. Den Kontrast dazu gewährten Böhmens Gebirge. Wild und romantisch bedeckten dunkle Wälder die Bergkuppen, welche sich ebenso finster in Thäler verliefen. Blaue Rauchsäulen stiegen an vielen Orten auf und gaben dem Ganzen einen eigenthümlichen Anstrich der Wildheit. Fast glaubte man, in dem Thüringer Wald auf einer großen Anhöhe zu stehen und die reichen weithinziehenden Wälder zu überblicken“. Durch engen Grund an Brettmühlen vorbei ging es nach ‚Herniskretschen‘ und weiter durchs Elbtal bis nach Tetschen. Mit einer gewissen Scheu gingen sie an den Mauthäusern am Strome vorbei, die durch Elbkähne geschützt waren, auf denen sie Kanonen stehen sahen. Ihnen geschah aber nichts. In Tetschen sahen sie sich noch eine Tonfabrik an. Am dritten Tage führte sie die Elbwanderung über Ronstock, dann am Ziegenberg vorbei, und endlich erblickten sie den Marienberg mit seiner Kapelle und er­freuten sich schon im Geiste der freundlichen Aufnahme, die ihnen in einer Aussiger Familie, gut bekannt mit Reinhards, bevorstand.

Mit großer Liebenswürdigkeit wurden die Dresdner Gäste mehrere Tage beherbergt. Sie durchwanderten die Stadt und bewunderten in der Stadtkirche das Madonnenbild. „Welche Ruhe, welche himmlische Klarheit in ihren Zügen; mit Demuth ist das Auge heruntergeschlagen; Schmerz lagert sich auf ihrem Angesicht, aber ein Schmerz, der mit Ruhe und mildem Frieden gepaart ist“. Dies Bild begeisterte ihn so, daß er in sein Taschen­buch ein Gedicht darauf entwarf, das sein Gefühl widerspiegelt und nicht ohne sprachliche Gewandtheit ist. Dann wurde der Schreckenstein besucht und sein romantischer Schimmer mit Ent­zücken genossen. Oder sie bestiegen den Marienberg, dessen Heiligenfigur eins der Mädchen – die Familie war wohl katholisch – bekränzt hatte, lagerten sich im Grase und blickten hinab ins Tal; dann kletterten sie „wie Gemsjäger“ an den Ab­hängen hinab und hinauf, umspielt und umwedelt von dem Familienhunde, Davoust genannt! Aber diese und andere Natur­freuden treten im Tagebuch zurück gegenüber einem Herzens­erlebnis eines der mitwandernden Freunde. Dieser hatte ein inniges Empfinden für eine der Haustöchter gehabt; in jüngeren Jahren waren sie einander näher getreten. Jetzt verlangten wohl

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/214&oldid=- (Version vom 16.3.2024)