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ihm und seinen auch dort gewesenen Bekannten ein lebhaftes Streiten und „Debattieren“ aus. Einmal trifft er dort übrigens sehr angesehene Männer der Stadt an: Hofrat Künzel, Bankier Scholz, Dr. Wippler. In einem Zirkel, der sich in Cagiorgis Wirtschaft zusammenfindet, wird lange und eifrig über diese Frau gestritten. Daß er die Sache zunächst sehr ernst genommen hat, geht aus dem häufigen Besuch bei der Frau hervor. Was sie ihm und seinen Kameraden gesagt, wie sie sich überhaupt auf­geführt und wieso er dann doch abgebrochen hat, erfahren wir nicht von ihm; er bemerkt nur kurz, daß ihn das von ihr Offenbarte „betroffen“ habe. Da er später nie wieder darauf zurückkommt und sie nicht weiter besucht hat, scheint er bald klug geworden zu sein. Die Neigung zu solchen „Fragen an das Schicksal“ hatte ihn auch schon in Leipzig gepackt. Am 11. Februar 1841 besuchte er dort mit drei Freunden die „Wahr­sagerin“ Frau Voigt. Sie fanden sie im „Roten Kolleg“ in einer fürchterlichen Spelunke; doch ließ sie sich nicht bewegen, ihr Geschäft zu vollführen. Sie leugnete, aus Furcht, weil sie, vier Mann aufgepflanzt, in die kleine Stube hineingestürmt waren.

Und nun zum „Wanderer“ in ihm! Die Heide, damals von den Dresdnern noch nicht so häufig aufgesucht, hat er auf ihren Schneisen oft durchschweift. Er war ihr näher gekommen dadurch, daß der Vater die Gepflogenheit hatte, den Vogelherd hinter dem Waldschlößchen zu besuchen. Wie er so mit seinen für die Heide begeisterten Freunden durch Waldschneisen aller Art schweift, erinnert ihn dies an das eben von ihm gelesene Buch „der Dichter und seine Gesellen“; er verwebt Dichtung und Wahrheit und sieht in jedem der Mitwanderer und in sich selbst eine der Novellenfiguren. Zuletzt kommen sie auf dem „letzten Heller“ heraus. Die Terrasse auf der dazu gehörigen Bergkuppe, welche wirklich eine herrliche Umsicht gewährt, begeistert alle. „Röthlich glänzte das Laub an den Bäumen von den letzten Strahlen der Sonne getroffen, als wir heimkehrten“.

Zu dieser Liebhaberei für die Heide trug wohl auch der immer inniger werdende Verkehr zwischen den Familien Stadt­rat Rachel und Hofsekretär Grohmann bei. Sowohl der Vater wie der Sohn Paul Grohmann, Advokat in Dresden, später

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/207&oldid=- (Version vom 16.3.2024)