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eingefahren; wir gewinnen ‚Land‘ und alsbald die Katze. Viel Witz darüber!“ Ein andermal ward er der Retter eines Menschen­lebens. Unter dem 4. Oktober 1838 schreibt er mit dem Ver­merk „abcopiert aus der Brieftasche“ etwas in sein Tagebuch, was er nach dem fürchterlichen Geschehnis mit „fliegendem Stift“ festgehalten hat: „Merkwürdige Stimmung! Habe ich schon Gutes gethan? Vielleicht mehr oder weniger durch Nebengründe bewogen. Heute ist der reichste Tag meines Lebens. Meinen schwachen Kräften war es bestimmt, einem Menschen das Leben zu retten. Ich bin die Ursache, daß sie nicht sündig vor Gottes Richterstuhl getreten, nicht schuldig: eigenmächtig in Gottes Wirken eingegriffen zu haben. Sie hat nun Zeit zur Reue! Fürchterlicher hat mich noch kein Ton berührt, als das bewußt­lose Winseln und Heulen von ihr, welches über den Strom herüberhallte; es durchdrang mich ein Schauern und Zittern, und doch mußte ich kräftig handeln! Ich sprang in den Kahn, ruderte mit anderer Hilfe hinüber, zog sie heraus, unbekümmert, ob die Wassermasse, welche durch das Hinausbeugen und Umlegen des Kahns sich hob, uns selbst wegschaffen könnte. Belohnender Augenblick, als meine Hand, die gerade auf der Brust lag, um sie zu halten, das Herz pulsieren fühlte! Etwas Bewußtseyn des Gethanen erfüllte mich, als ich vor den Wachtkommandanten hintrat und um eine Stube zur Aufnahme bat. – Sie dankte auf eine unvergeßliche Art, als ich hinwegging und sie sicher wußte! Heute ward der gute Wille zur guten That. Ihr Bild (er meint das der Jugendgeliebten Ida Blöde) verließ mich nie, es stärkte mich! Muffti war mein treuester Genosse.“ Erklärlich, daß er in den wenigen Lebensjahren, die ihm noch beschieden waren, an jedem 4. Oktober dieser seiner entschlossenen Tat gern gedachte! Wer es war, die er gerettet, warum sie in Verzweiflung so gehandelt, hat er seinem Tagebuche nicht anvertraut.

Eine höchst sonderbare Sache ist es, daß er 1841 im Monat Mai zugleich mit etlichen Freunden bei einer Somnambule ver­kehrt; es war dies die Frau des Mechanikers Joh. Christ. Kachler, die auf der Schäferstraße 31 wohnte. Fast täglich geht er hinaus, obwohl sein Vater ihn verhöhnt und ihm offen sagt, er halte das für Torheit. Nach einem der Besuche bricht zwischen

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/206&oldid=- (Version vom 16.3.2024)