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kommt, wie einst bei der berühmten Hirsebreifahrt der Zürcher nach Straßburg auf dem glückhaften Schiff, die Freude zum Ausdruck, daß man sich doch so nahe, so nahe gekommen! Da heißt es:

Wir sind erstaunt – ein Raum hielt uns geschieden
Vor wenig Stunden nur,
Durch welchen einst zwei Tage lang in Frieden
Die gelbe Kutsche fuhr.

Die Fahrt von Leipzig nach Dresden hat 4 1/2, die von Dresden nach Leipzig „nur“ 4 Stunden gedauert. Ein Vierteljahr nach der Eröffnungsfahrt entschlossen sich die Leipziger Studenten zu einer Extrafahrt nach Dresden. Da ich von diesem Unternehmen anderweit ausführlichere Angaben nicht gefunden, füge ich den Bericht des Studenten Hermann Rachel darüber ein: „Donners­tag den 5. July. Wir eilen nach dem Markt, treffen Ecks (Spitzname der Brüder Hermann und Oswald Reinhard) und mit ihnen nach dem Bahnhof. Jubel und Halloh der Studios selbst. Gedränge und Masse der Zuschauer, deren Erstaunen und Beifall. Die Wagen sind gefüllt, und aller Studio verpackt; wir haben uns einen hübschen Stehplatz ausgesucht und übersehen den ganzen gräulichen und fast schwärzlichen Zug, dessen Inhalt jauchzend, jubelnd, singend Abschied nahm, die der Bahn nahe Stehenden begrüßte und das Schwenken der Hüte, Wehen der Tücher erwiderte. Überall wurden wir von Menschen erwartet, fröhlich bewillkommnet, oft auch sprachlos angestaunt. Fürchter­licher Tumult auf den einzelnen Kneipen, wo angehalten wurde, besonders in Oberau. Mit dem Schauplatz, mit den Umgebungen ändert sich auch die Stimmung und die Ausgelassenheit der Freunde. Begrüßung der Berge, Elbe und der schönen Stadt! Freudiges Erstaunen, das sich allmählich in ein stummes, ruhiges Entzücken des Einzelnen verwandelt. Herrliches Wetter; Einzug in den Bahnhof, wo eine kuriose Masse Dresdner uns mit Jubel begrüßt und empfängt. Erwiderung mit großem Halloh. Ordnen des Haufens; Arm in Arm, rauchend und mit Gaudeamus igitur rückten wir gassenbreit herein. Blödens schauen heraus. Überall tritt die Wache ins Gewehr und läßt uns frank und frei passieren. Wir ziehen auf den Neumarkt, schließen dort einen großen Kreis und beginnen wiederum die Studenten-Marseillaise

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/202&oldid=- (Version vom 16.3.2024)