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Mehr als der poetisch, duftig anmutende Vorhang be­schäftigte die Leute, und so auch den Tagebuchschreiber, die ge­schmackvolle Anordnung der Nebenräume. Er fährt fort in seinen Niederschriften: „Corridore, Treppen, Büffet, besonders das Foyer mit seinen Balkonen, Divans, wahrhaft reizend; be­lebt durch Schönheiten jedes Standes, die auf- und abwogen, gleicht es einer Pariser Bazarstraße, nur daß statt der aus­gestellten Waren hier Deckengemälde zu bewundern sind. Die Ausschmückung im Innern, die Verzierungen der Logen in den einzelnen Rängen ist fast etwas zu speciell rococco, so daß man fürchten muß, es möchte bald eine Zeit kommen, wo selbiges veraltet erscheinen dürfte“. Man sieht, Sempers Wunderbau, nach den Napoleonischen Zeiten mit ihrer Einfachheit und biedermeierlichen Geradlinigkeit, das erste architektonische Kunstwerk in Dresden, wirkt auf den Studenten mächtig ein. Wenige Tage darauf geht er in Webers geliebte „Euryanthe“, in der „die Devrient“ „Glöcklein im Tale“ zu aller Entzücken singt. Erneutes, eindringliches Anstaunen des neuen Hauses und seiner Gasbeleuchtung, Blochmanns[1] Meisterwerk, wie er bewundernd schreibt. Es macht seinem musikalischen Geschmack Ehre, daß er in der dritten Vorstellung, die er 6 Tage später besucht, Bellinis Puritaner lange nicht so ergreifend findet wie Webers Euryanthe. „Etwas französische Effektszenen darinnen aufgehäuft“.

In jene Tage fiel auch ein Fackelzug, dem anwesenden Cornelius zu Ehren. In einer für die Dresdner Künstler nicht sehr schmeichelhaften Weise kritisiert er diese Feier also: „Musik vor dem Hotel de Russie. Kein Leben, kein Geist. Still hin­gegangen und wieder weg, wie Gamaschenkerle; die Musik schweigt unterwegs ganz, die Fackeln teilweise in Röhrtrögen ausgelöscht. Halt fehlte dieser Geschichte!“ Einem Fackelzuge, der in demselben Jahre 1841 Felix Mendelssohn bei seiner Über­siedlung nach Berlin in Leipzig, und zwar in Lurgensteins Garten gebracht wurde, wohnte der junge Mann mit Begeisterung selbst bei.


  1. Die Dresdner Gasbeleuchtung war dem Mechanikus und Inspektor am mathematisch-physikalischen Salon Blochmann übertragen worden.
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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/196&oldid=- (Version vom 15.3.2024)