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eilte er mit lieben Freunden in den Semperbau, um Maria Stuart mit „der Bauer und Emil Devrient“ zu sehen.[1] „Wir sitzen alle zusammen und staunen ob der edeln Pracht, die in dem ganzen Bau vorwaltet. Feine Munificenz, von Armut und Überladung gleich fern! Der Hauptvorhang von Cornelius „Poesie und Liebe“ in verschiedenen Gestaltungen. Die weib­lichen Figuren, mit Ausnahme der Schäferin, zu massenhaft (wohl massig gemeint?), ammenmäßig möcht ich fast sagen; das Colorit für Lampenbeleuchtung, und wenn selbige auch wahr­haft feenartig, zu matt, blaßröthlich gleichwie die hellen Ge­wänder. Der Vorhang der Zwischenakte gefällt mir besser, der Sammet mit Goldborte ist prächtig gemalt“. Der junge Mann ist hier schlecht unterrichtet, auch voreilig im Urteil. Der uns alten Dresdnern unvergessen bleibende Hauptvorhang im 1869 abgebrannten Hoftheater war nicht von Peter Cornelius, sondern von Julius Hübner gemalt und stellte, was er nicht verstand, gerade etwas dar, wozu der von ihm so gern gelesene Ludwig Tieck die Anregung gegeben hatte, nämlich in seiner Haupt­gruppe die wichtigsten der am Schlußbild des Prologs teil­nehmenden Personen im Aufzuge der „Romanze“ dieses Dichters. Es sei, da mancher „alte“ Dresdner dieses Buch lesen wird, ge­stattet, in Erinnerung an die Zeiten vor 70, 80 Jahren die Schlußverse dieser Dichtung einzufügen, ehe die Eindrücke des jungen Mannes, die ihm das neue Theater bereitete, weiterhin wiedergegeben werden.

Der Romanze, die hoch zu Roß sitzt, ruft der Dichter­jüngling zu:

Halt an! Du wunderbares Bild? Wer bist Du,
Auf diesem weißen, königlichen Zelter?
Mit Federbüschen in dem Winde flatternd,
Die weiße Brust mit blauem Schleier schmückend,
Im Munde Lächeln, in den Augen Ernst,
Auf vollen Wangen Tränen für die Liebe?
Mir ist, ich kenne Dich, doch bist Du fremd,
Ich habe nie so Wunderherrliches,
So Liebliches gesehn, so fremde Tracht!


  1. Caroline Bauer, später Gräfin Plater, die fesselnde „Erinnerungen aus ihrem Leben“ hinterlassen hat.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/195&oldid=- (Version vom 15.3.2024)