Seite:Paul Rachel Altdresdner Familienleben.pdf/192

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

vor dessen Weitschweifigkeit zurückgeschreckt sei. Gewaltig er­schüttert ihn Kleists Prinz Friedrich von Homburg. Liebe, Tapferkeit, Zerknirschung, Läuterung und innere Erhebung klangen, es wird dies später noch erwiesen werden, in seinem Innern an. Mit einer gewissen Vorliebe dringt er in Tiecks Novellen ein; ‚der junge Tischlermeister‘ gefällt ihm besonders. Gern vergleicht er Personen, die ihm in diesem Werke entgegentreten, mit Menschen oder Vorgängen in seiner Umgebung. Wie eines Sonntags der würdige Onkel Haase sich im Kreise der jungen Leute, die im Rachelschen Hause zu Besuch sind, recht wohl fühlt und mit innigem Behagen dem Gesang eines der anwesenden Mädchen gelauscht hat, schreibt der junge Mann von ihm: „Er schilderte mir jene innige Freude, jenes stille Wohlgefühl, welches er jetzt in unserem Familienkreise fühle, da er früher in der ‚perückenartigen‘ Zeit dieses alles entbehrt, auch gar nicht ver­mißt habe. Dies erinnert mich an den alten Magister in ‚Tiecks jungem Tischlermeister‘.“ Er hat das Charakteristische dieser wunderlichen Figur, von Tieck sehr ergötzlich geschildert, gut erfaßt und passend verglichen. Er erinnerte sich dabei gewiß der köstlichen Szene, da der alte Magister auf seiner in die Stube ge­worfenen Perücke herumtrampelt und anderen Tages am Tische des Tischlermeisters Leonhard in seinem eigenen grauen Haar erscheint.

Auch in Immermanns Epigonen liest er oft und tief bis in die Nacht hinein. E. Th. A. Hoffmanns „Meister Martin und seine Gesellen“, W. Alexis’ „Shakespeare und seine Freunde“, Herloßsohns „Johannes Huß“, Leopold Schefers „Geschiedene“ seien noch genannt. Auch ihn erfaßten Gertrud Paalzows „Godwin Castle“ und Coopers Romane. Schon erscheinen Töpfers „Genfer Novellen“ und die bis in die sechziger Jahre so beliebten Familiengeschichten der schwedischen Dichterin Frie­derike Bremer. Neben Kalendern und Musenalmanachen ver­säumt er die jungen Dichter seiner Zeit nicht. Durch seine Be­kanntschaft mit Robert Prutz, dem Verlobten seiner Jugendliebe, trat er Arnold Ruge näher. Die jungen Dresdner brachten bei diesem für seinen Musenalmanach ihre Gedichte an. Ruge druckte einige von Gustav Blöde ab; sie wurden in Kritiken, die in den Freundeskreisen umliefen, nicht besonders gerühmt. Tränen der

Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/192&oldid=- (Version vom 15.3.2024)