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Dies Glas, aus dem Dein Wohl ich hab getrunken,
Es sei zerbrochen jetzt auf immer.
Dir war’s geweiht, und einer andern Lippe
Spend’ einen Tropfen es wohl nimmer.
Mein Herz, aus dem Sie Liebe hat getrunken,
Hat Sie zerbrochen auch auf immer;
Gebrochen bleibt’s und einer andern Seele
Spend’ einen Tropfen es wohl nimmer!

„Er löste sein Dichterwort und zertrümmerte das Glas an der Wand. Die arme Seele knickte wahrhaft zusammen zugleich mit dem Glas und war weich wie ein Kind. Wir fühlten bald, daß nun eine Stimmung eingetreten, welche zu dem Kneipleben nicht mehr tauglich. Wehmut hatte die Lust verscheucht: wir leerten noch einmal die Gläser. Julius zahlte und nahm noch eine Flasche Rotwein mit, und so wandelten wir hinaus zum großen Garten. Hier vor der Statue der Zeit, welche sinnbild­lich in der Jugend dargestellt ist, die noch einmal schmerzlich zurückschaut, tranken wir aus einem ledernen Becher den Ab­schiedswein, gelobten uns durch Hand und Kuß Liebe und Treue in Not und Tod, vernichteten die Flasche und zogen heim. Früh 4 Uhr Frühstück beim lieben Freund; er tauscht mit mir die Uhr; die Stunde schlug; schmerzlicher, schwerer Abschied der Fa­milie – Begleitung – schwere Trennung! Gott schütze Dich, treue Seele, und gebe Dir Trost, Kraft! – Heimkehr!“

Wenn ihm in seinen Leipziger Semestern solche Abschiede bevorstanden, dann eilte er zu dem Maler A. Lerpée, der da­mals als Porträt-, Porzellan- und Silhouettenmaler Ruf besaß, und ließ sich abbilden. Das hier beigefügte Bild und eine Sil­houette von ihm auf einem Pfeifenkopf, damals ein beliebtes Geschenk, gehen gewiß darauf zurück.

Von Stammbuchblättern ist kaum mehr die Rede, ja es scheint bei ihm, wie auch bei andern bereits eine Abneigung da­gegen zu bestehen. Er findet die Sitte für Schüler und Stu­denten als spaßhaft und schreibt: „Wer sich innig befreundet, bleibt gewiß länger verbunden durch Briefe und Mittheilungen; unter Fremden oder mit Ausländern hat es eher genügende Gründe, doch eine Silhouette ist immer besser; daran knüpfen sich bessere und wahrere Erinnerungen als an einen Vers aus

Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/186&oldid=- (Version vom 14.3.2024)