Seite:Paul Rachel Altdresdner Familienleben.pdf/185

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

einander befreundet sind. Lange verweilten wir auf dem Brühlschen Garten, bis uns der Postenwechsel des Militärs an die vierte Morgenstunde erinnerte.“

Noch wilder und leidenschaftlicher zeigt sich der Trennungsschmerz, als zwei Jahre später Hermann Rachel, selbst schon Student, denselben Freund nach fernem Land verabschiedet. Er liest ihm ein Gedicht „Lebe wohl!“ vor, hilft ihm bei allen mög­lichen Vorbereitungen zur Reise und bei Abschiedsbesuchen. Mit Tränen entläßt ihn nicht nur die eigne Familie, nein, auch Her­manns würdiger Vater hat Tränen im Auge. Als alle Familienbegrüßungen zu Ende, gehen die Freunde noch einmal in Engel­manns Weinstube auf der Wallstraße und zechen edeln Rhein­wein unter Sang und Klang, zum großen Staunen der „philistrigen“ Umgebung. Später treten an Stelle des tobenden Gesanges trau­liches Gespräch, Ergießungen des Herzens. Zuletzt schreibt jeder auf einem Zettel ein Liebeswort für sein „Ideal“. Der eine:

Ich hab dich geliebet und lieb dich noch heut
Und werde dich lieben in Ewigkeit.

Es ist das einzige Mal, daß in den Tagebüchern an Uhland erinnert wird, aber ein Zeichen, wie tief schon damals diese unvergeßlichen Verse ins Volk gedrungen waren!

Der andere schreibt:

In dunkler Dämmerstunde
Beim Sternenschein
Fleh ich von deinem Munde:
Gedenke mein!

Der Tagebuchschreiber dichtet an die Geliebte seiner Jugend, Ida Blöde, die sich nicht lange vorher mit dem Dichter Robert Pautz verlobt hatte:

Ich liebte dich, und ach, ich hing vergebens
An deiner Augen Feuergluth.
Ist auch vernichtet jetzt mein Ziel des Lebens,
Für dich zu sterben bleibt mir ewig Muth.

Und der, dem dies schwärmerische Fest galt, den bittrer Schmerz über eine „Ungetreue“ übermannte, er schrieb mit Tränen in den Augen:

Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/185&oldid=- (Version vom 14.3.2024)