Seite:Paul Rachel Altdresdner Familienleben.pdf/182

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Herzensliebe Hauptgegenstände. Eines beginnt wohl: Möchte gern noch heute wandern in ein weites, schönes Land! Ein anderes: In weite Höhen schwingt sich mein Herz, in finstere Tiefen versank der Schmerz! Oft sonderte er sich auf Spaziergängen der Familie ab, nahm schnell das Taschenbuch zur Hand und hielt seine innersten Empfindungen fest. So einmal, als er mit den Eltern zu Findlaters gegangen war und dann im „schönen Grund“ beim Fischhause saß; da schreibt er:

Des Tages Schwüle ist vorbei,
Die Sonne sank hinunter.
Die Phantasie wird fesselfrei,
Die Bilder werden bunter!

Ich träume hier im stillen Thal
Von Euch, Ihr meine Lieben.
Wie wär die Welt so trüb, so kahl,
Wenn Ihr mir nicht geblieben! usw.

Natürlich hat er auch zu Familiengedenktagen eine Fülle von Gelegenheitsgedichten verfaßt. So hat er auch 1839 beim sogenannten Valedictionsactus ein von ihm verfaßtes deutsches Gedicht „die Heimat“ vorgetragen. Nicht minder, wenn es Abschied zu nehmen galt von seinen Freunden. Mit gefühlsseligen Worten schildert er solch letztes Beisammensein mit lieben Freunden. Als einer von ihnen, Julius Kohlmetz, ein halbes Jahr vor ihm Dresden verläßt, da wird Hermann zum letzten Abend ein­geladen, mit ihm die systematisch geordneten Andenken an herr­liche Zeiten noch einmal zu mustern. Die Familie nimmt ihn traulich auf, Speise und Trank wird reichlich gespendet, so daß trotz des Trennungsschmerzes Übermut aller Art ausbricht. Nach herzinnigem Beisammensein noch langes Komitat auf Straße, Brücke, „Brühl“. „Ist die ganze Familie freundlich und zuvor­kommend, so ist Julius (Kohlmetz) eine herzliche und liebende Seele. Überwältigt von aufwallenden Gefühlen sanken wir uns in die Arme und gelobten stumm, einander treu zu bleiben. Möge mir seine Liebe eben so lange erhalten bleiben wie die Oswalds[1], und nicht eher werde ich ruhen, bis selbige unter


  1. Oswald Reinhard, geb. 1818 in Dresden, gest. ebenda 1876 als Appellationsgerichtsrat, war ein Sohn des Senators und Stadtgerichtsrats H. Reinhard, geb. 1784, gest. 1832 zu Dresden.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/182&oldid=- (Version vom 14.3.2024)