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dieses freie, natürliche Leben des Dichters und seiner Gesellen; jeder folgt seinem Gelüste, und dem inneren Gefühl, wohin beides führt. Leichte und ansprechende Schreibart, mit liebens­würdigen Schwärmereien in Prosa und Vers ausgeschmückt.“ Man merkt bei ihm den Wunsch: „Erlaubt sei, was gefällt.“ So ist es auch erklärlich, daß er im Haushund Muffti oft seinen liebsten Vertrauten fand. Als er zu Leipzig den Tod dieses treuen Kumpans seiner jüngeren Jahre erfährt, zeichnet er auf den Rand des Tagebuchblattes einen Hügel und ein Kreuz darauf und schreibt: „Mein treuer Begleiter während einer ziemlichen Reihe von Jahren, der alte Muffti ist gestorben! Glücklicherweise hat er fast gar nicht gelitten; innerhalb 4–5 Tage hat seine Schwäche mehr und mehr zugenommen, bis er in der Nacht vom 9.–10. Juli gestorben ist. Er war eine stumme, aber treue, mitfühlende Seele, wenn er Trauer in meinem Gesicht fand! Es kamen Stunden, wo ich sein ehrliches Auge an mein Gesicht drückte und in ihm noch den einzigen, treuesten Freund zu haben mich freute! Die Erinnerung an ihn wird keiner seiner möglichen Nachfolger zu verwischen vermögen.“ Der junge Mediziner schließt diesen gefühlsseligen Erguß mit den Worten „Seinen Kopf werde ich mir präparieren und aufheben!“

Es ist wohl erklärlich, daß eine solche Natur vom Schulleben damaliger Zeit nicht sehr gepackt worden ist. Dies geht sowohl aus den ganz seltenen Mitteilungen hervor, die er von Schulerlebnissen macht, als auch aus der Art, wie er solche heranzieht. Über seine Lehrer, im Gegensatz zu seinem Bruder Julius, nicht ein Wort! Über die Stoffe, die in den Lehrstunden verhandelt werden, nicht eine Silbe! Als er als Primaner seine ersten Briefe an die Freunde in Leipzig schreibt, ruft er: „Nichts von der ledernen Schulsache! Denkt an den armen Schulfuchs!“ – Wie er sich von der Schule nichts zu holen verstand, so bringt er seine Sachen in die Schule hinein! In der französischen Stunde schreibt er heimlich an seinem Tagebuch. In einer Stunde, in der Cicero de lege Manilia gelesen wird, versucht er sich in Versen auf sein geliebtes Mädchen. Ebenso dichtet er in der Mathematik- und in der Geschichtsstunde. In diesen Gedichten sind seinem Alter entsprechend Sehnsucht in die Ferne, innige

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/181&oldid=- (Version vom 14.3.2024)