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(wenn man eine hat!) und arbeite. Habe ich nun den Tag über gearbeitet, oder habe ich mich gar einmal verleiten lassen und bin noch einmal hinausgegangen und es ist doch wieder schlimm geworden, dann hinein ins Zimmer; ich lege mich aufs Kanapee und träume von einst glücklichen Zeiten. Sollten meine Brüder solches erleben, sie liefen am dritten Tag davon! Ich bin unter diesen Bauern wie unter Verrätern; täglich Ärgernis über die niederträchtigen Frevel an unseren Absteckungen.“

Im Spätherbst 1835 winkt ihm in einem freundlich ge­legenen Orte bessere Zeit. Er ist in Mühlsdorf an der Wesenitz, Lohmen gegenüber gelegen, stationiert: „Es ist ein netter Ort; meine Wohnnng liegt sehr romantisch; sie ist zwar sehr klein, aber nichtsdestoweniger zum Schwärmen geeignet. Aus meinem Fenster sehe ich unmittelbar in den tiefen Grund der schäumenden Weßnitzbach. Die langen Abende – es ist November – ver­treibe ich mir durch Guitarrenspiel, Gesang und mathematische Studien. Meine Arbeiten im Freien bilden unter sich einen grellen Contrast: die Hälfte der Arbeit ist sehr leicht und der andere Theil sehr schwierig. Dieser letzte Theil ist nehmlich die Aufnahme der Weßnitz, welche sich beträchtlich weit erstreckt. Ich muß mir, um das Thal wenigstens Stückweise übersehen zu können, hervorragende Klippen zu meinem Standpunkt aus­suchen, was bei der Kälte und häufigem Glatteis eine lebens­gefährliche Arbeit. Doch Vorsicht und Klugheit über­winden alles!“

Mit diesen Worten bricht das über vier Jahre geführte Tagebuch ab. Der letzte stattliche Band hätte ihm noch mehr als die Hälfte unbeschriebenes Papier geboten; er hat es nicht be­nutzt. Kostete es ihm doch zuviel Zeit? Hatte er in seinem stillen Ringen um ein geliebtes Mädchen nun sein Ziel erreicht? Sind seine Kämpfe um Wertschätzung seiner Arbeit nun ganz glücklich abgeschlossen gewesen? Denn zwischen Liebe zur Jugendgenossin und Haß gegen den widerwärtigen Vorgesetzten hatte sich seine Gefühlswelt lange Zeit im wesentlichen bewegt. Genug, die Feder ruht. Erlebnisse und Empfindungen des jungen Dres­dner Technikers liegen nun in ausführlichen Niederschriften nicht mehr vor; aber charakteristisch für seinen späteren Lebensweg sind

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Paul Rachel: Altdresdner Familienleben. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1915, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Rachel_Altdresdner_Familienleben.pdf/174&oldid=- (Version vom 14.3.2024)